Markenlexikon
Der argentinische Rennfahrer Alejandro De Tomaso (1928 – 2003) kam 1955 nach Italien und fuhr zunächst Rennen für die Firma OSCA (Officine Specializzate Costruzioni Automobili), die den Maserati-Brüdern gehörte. 1957 heiratete er Elizabeth (Isabelle) Haskell, die Tochter des General-Motors-Gründers Bill Durant, mit deren Geld er 1959 in Modena eine eigene Firma gründete (Scuderia De Tomaso), um Rennwagen für verschiedene Rennserien zu bauen und einzusetzen (Formel Junior, Formel 1, Formel 2, Formel 3, Indy 500). Diese Fahrzeuge mit Motoren von Alfa-Romeo und OSCA/Maserati blieben jedoch erfolglos und konnten weder Rennen gewinnen noch Punkte erzielen. 1963 gab De Tomaso diese Projekt auf.
Sein erster Straßensportwagen, der De Tomaso Vallelunga mit Ford-Cortina-Motor, kam 1965 auf den Markt und wurde bis 1967 gebaut (rund fünfzig Exemplare). In fast allen weiteren De-Tomaso-Fahrzeugen kamen ebenfalls Aggregate von Ford zum Einsatz, meist V8-Motoren. 1967 folgte der von Giorgetto Giugiaro (damals Designchef von Ghia) gestylte Mangusta, der jedoch aufgrund schlechter Fahreigenschaften und mangelnder Verarbeitung kein Erfolg wurde (vierhundert Exemplare).
1967 kaufte der US-Fahrzeugzulieferer Rowan Controller, der sich im Besitz der Haskell-Familie befand, die Carozzeria Ghia in Turin, wo gerade der Finne Tom Tjaarda Giorgetto Giugiaro als Chefdesigner abgelöst hatte. Er entwarf den Pantera, der sich ab 1970 zum ersten und einzigen Erfolg für De Tomaso entwickelte. Gebaut wurde der Pantera zunächst bei Ghia und dann im größeren Vignale-Werk in Turin, das Alfredo Vignale (1913 – 1969) noch kurz vor seinem Tod an Ghia verkauft hatte.
1970 beteiligte sich der Ford-Konzern mehrheitlich an Ghia/Vignale und brachte den Pantera 1971 über sein Lincoln-Mercury-Händlernetz auch auf den US-Markt. Im gleichen Jahr kaufte De Tomaso den Motorradhersteller Benelli und 1973 Moto-Guzzi, ebenfalls eine italienische Motorradfirma. 1974 musste Ford den Verkauf des Pantera jedoch aufgrund der strengen amerikanischen Umwelt- und Sicherheitsauflagen, denen der Pantera keineswegs entsprach, einstellen. Alejandro De Tomaso erwarb daraufhin die Herstellungsrechte des Pantera von Ford zurück und ließ ihn erst bei der Carrozzeria Maggiora Turin und dann bei der Carrozzeria Embo Turin weiterbauen. Ghia und Vignale blieben jedoch bei Ford und wurden zu konzerninternen Designstudios.
1975 beteiligte sich De Tomaso an Maserati und 1976 an Innocenti, eine 1931 von Ferdinando Innocenti (1891 – 1966) in Lambrate bei Mailand gegründete Firma, die von 1947 bis 1971 den Motorroller Lambretta herstellte und seit 1960 auch Kleinwagen, meist in Lizenz von BMC/British Leyland (Austin A40, Austin Mini). Daraufhin gab es eine Zeit lang eine optisch und technisch überarbeitete Version des Innocenti Mini (Innocenti De Tomaso). Beide Beteiligungen wurden 1989 an Fiat verkauft. Auch von dem Kompaktwagen Horizon, der unter den Chrysler-Marken Simca, Talbot, Dodge und Plymouth verkauft wurde, gab es De-Tomaso-Versionen; an deren Produktion war De Tomaso allerdings nicht beteiligt.
1991 endete die Produktion des Pantera; mit rund siebentausend Exemplaren war er das erfolgreichste Modell von De Tomaso. Die zweite Generation, der Pantera GTSi, wurde von 1990 bis 1992 produziert (vierzig verkaufte Exemplare). Neben den bereits genannten, gab es von De Tomaso noch die beiden vollkommen unspektakulären Modelle Deauville (1970 – 1985) und Longchamp (1972 – 1989). Die letzten Fahrzeuge von De Tomaso waren der Guarà (1994 – 2004) und der Biguà/Qvale Mangusta (1996 – 2002). 2006 ging das Unternehmen De Tomaso Automobili, das sich seit 2004 in Liquidation befand, auf Antrag eines Gläubigers in Konkurs.
2010 reaktivierte der Geschäftsmann Gian Mario Rossignolo, dessen Firma IAI (Innovation in Auto Industry) zuvor die Markenrechte erworben hatte, das Unternehmen. Im selben Jahr beteiligte sich De Tomaso Automobili an der Designfirma Pininfarina und übernahm eins von drei Pininfarina-Werken (Grugliasco), wo die geplanten Modelle (SUV, Limousine, Sportwagen) auch gebaut werden sollten. Rossignolo hatte zuvor leitende Funktionen in Unternehmen wie Electrolux-Zanussi, Lancia, Olivetti und Telecom Italia innegehabt. 2012 war das Unternehmen jedoch erneut zahlungsunfähig und musste zwei Jahre später aufgelöst werden. Gian Marco Rossignolo und sein Sohn Gianluca wurden 2019 wegen Veruntreuung von staatlichen Fördergeldern zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
2014 erwarb das chinesische Unternehmen Ideal Team Venture aus Hongkong die De-Tomaso-Markenrechte; ITV besitzt auch die alte italienische Renn- und Sportwagenmarke A.T.S. (Automobili Turismo e Sport), die von 1961 bis 1964 existierte. 2019 stellte ITV den De Tomaso P72, wieder mit einem Ford-V8-Motor, der Öffentlichkeit vor. Seit Ende 2022 wird der Supersportwagen vom deutschen Autozulieferer Capricorn Group aus Düsseldorf in einer neuen Produktionsstätte am Nürburgring in Kleinserie produziert.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain