Markenlexikon

Commodore

Ursprungsland: Kanada

Der in Polen geborene Idek Trzmiel (1928 – 2012) – es existieren auch die Namensvarianten Juda Trzmiel, Jacek Trzmiel und Idek Tramielski – hatte aufgrund seiner jüdischen Abstammung von 1944 bis 1945 in den deutschen Konzentrationslagers Auschwitz und Hannover-Ahlem gesessen. 1947 emigrierte er in die USA, nannte sich nun Jack Tramiel und trat ein Jahr später in die U.S. Army ein, wo er zum Büromaschinen-Mechaniker ausgebildet wurde. Nach Beendigung seiner Armeezeit arbeitete er eine Weile als Taxifahrer in New York. 1953 eröffnete in der Bronx einen Reparaturservice für Schreibmaschinen. Der Name des Ladens, Commodore Portable Typwriter, entstand in Anlehnung an seine militärische Vergangenheit (Commodore = engl. Geschwader-Kommandant) und weil höhere Dienstgrade wie General oder Admiral bereits von anderen Firmen benutzt wurden.

Um Importbeschränkungen der USA zu umgehen, gründete er 1955 im kanadischen Toronto die Commodore Portable Typwriter Company, die zunächst tschechische Schreibmaschinen und später auch deutsche Schreibmaschinen in Lizenz herstellte. 1962 ging das Unternehmen unter dem Namen Commodore Business Machines (CBM) an die Börse, kam aber bald in finanzielle Schwierigkeiten, als japanische Schreibmaschinen den US-Markt eroberten. In dieser Zeit versuchte Commodore im Geschäft mit Addiermaschinen Fuß zu fassen.

1966 reiste Tramiel nach Japan, wo er auf ein neues Gerät aufmerksam wurde, das damals gerade für Furore sorgte: der elektronische Tischrechner. Kurz darauf begann Commodore mit dem Import dieser Rechner. 1969 brachte Commodore den ersten eigenen Tischrechner auf den Markt, wobei die Elektronik von Texas Instruments stammte. Der gnadenlose Preiskrieg auf dem Tisch- und Taschenrechnermarkt trieb Commodore jedoch fast in den Konkurs. 1976 verlegte die Firma ihren Hauptsitz aus Steuergründen nach Nassau (Bahamas); die US-Hauptverwaltung befand sich in West Chester/Pennsylvania.

Um von Zulieferern unabhängig zu sein, erwarb Commodore zur gleichen Zeit mehrere Halbleiterhersteller, u. a. die erst kurz zuvor von ehemaligen Motorola-Mitarbeitern gegründete Firma MOS Technology, die gerade den Einplatinen-Computer-Bausatz KIM-1 auf den Markt gebracht hatte, der auf dem 8-Bit-Mikroprozessor MOS MCS6502 basierte. Aus dem KIM entwickelte Commodore 1977 den Personal Electronic Transactor (PET). Im Gegensatz zu anderen Computern dieser Zeit bestand der PET aus einem Metallgehäuse mit Platine und Netzteil, Tastatur, Monitor und Massenspeicher (Datasette). Der PET eignete sich vor allem zum Schreiben kleinerer Programme (BASIC, Assembler). Fertige Software gab es kaum und nur wenige einfache Spiele. Zusammen mit dem Apple II und dem Tandy/RadioShack TRS-80 wurde der 795 Dollar teure PET 2001 (in Europa CBM 2001) zum Pionier der privaten Datenverarbeitung.

Von dem als »Volkscomputer« vermarkteten Commodore VIC20/VC20 (1980 – 1984), der nur noch 299 US-Dollar kostete, konnten erstmals in der Geschichte der Microcomputer über eine Million Exemplare verkauft werden; insgesamt wurden es 2,5 Millionen. Der Durchbruch auf dem internationalen Markt gelang Commodore mit dem anfangs 595 US-Dollar teuren Commodore 64 (1982 – 1994). Der C64 wurde zum erfolgreichsten Home-Computer aller Zeiten, wobei die genauen Verkaufszahlen unbekannt sind. Schätzungen reichen von zwölf bis dreißig Millionen Exemplaren.

Commodore
Commodore

Anfang 1984 musste der patriarchische Firmenchef nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Aufsichtsrat, der vor allem von dem Großaktionär Irving Gould (1919 – 2001) dominiert wurde, aus dem Unternehmen ausscheiden; kurz darauf kaufte er Atari, Commodores größten Konkurrenten. Im gleichen Jahr erwarb Commodore die erst zwei Jahre zuvor von Jay Miner (1932 – 1994), David Morse (1943 – 2007), Robert Mical (* 1956) und Carl Sassenrath (* 1957) gegründete Firma Amiga, die gerade den ersten Multimedia-Computer der Welt entwickelt hatte. 1985 kam der Amiga 1000 auf den Markt und stellte in Bezug auf Ton und Grafik alle anderen Produkte in den Schatten. Als erster Home-Computer beherrschte der Amiga die gleichzeitige Abarbeitung mehrerer Programme (Multitasking). Trotzdem konnten sich der Amiga und seine Nachfolger nicht recht durchsetzen (schlechtes Marketing, nicht bürotaugliche Bildschirmdarstellung, fehlende Standardsoftware, ineffizientes Betriebssystem), ähnlich wie auch die Personal Computer von Commodore, die seit 1985 in der deutschen Fabrik in Braunschweig hergestellt wurden.

Als sich in den frühen 1990er Jahren die leistungsfähigeren IBM-kompatiblen Personal Computer mit Intel-Prozessoren und Microsoft-Software (MS-DOS, Windows) immer mehr durchsetzten und die Home-Computer vom Markt verdrängten, geriet Commodore zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten, die 1994 schließlich zur Insolvenz der Muttergesellschaft Commodore International (Nassau/Bahamas) und der Tochtergesellschaft Commodore Electronics führten. Die Landesgesellschaften in Deutschland, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden und den USA blieben davon zunächst ausgenommen. Im Laufe des Jahres 1995 gingen diese Firmen jedoch ebenfalls in Konkurs. 1994 gab auch Atari die Computer-Produktion auf (die Firma blieb aber als Spiele-Entwickler bestehen).

1995 kaufte die deutsche Computerhandelskette Escom, deren Gründer Manfred Schmitt früher bei Commodore in Braunschweig gearbeitet hatte, Commodore International. Ein knappes Jahr später war jedoch auch Escom insolvent. 1997 erwarb die niederländische Firma Tulip Computers die weltweiten Commodore-Markenrechte, verkaufte sie aber 2005 an den windigen Finanzjongleur Ben van Wijhe, der sie von einer zur nächsten Firma schob, bis ein US-Gericht 2013 urteilte, dass er und seine Unternehmen überhaupt keine Rechte an den Marken Amiga und Commodore besitzen.

Der Multimedia-Player Commodore Gravel (2006) erwies sich als Flop und die von 2010 bis 2013 existente Firma Commodore USA aus Fort Lauderdale/Florida, die PCs im Retro-Design auf den Markt bringen wollte, kam über einen Prototypen nicht hinaus. Die frühere Commodore-Vertriebsfirma RULAG aus Karlsruhe vermarktete Ende der 1990er Jahre eine Zeit lang Produkte wie Aktenvernichter, Telefone, Schreibmaschinen, Personal Computer, Spielkonsolen und MP3-Player unter dem Commodore-Label.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain