Markenlexikon
Der Arzt und Apotheker John Stith Pemberton (1831 – 1888) hatte in seinem Labor in Atlanta/Georgia schon eine ganze Reihe von Arzneien, Heilmitteln (u.a. French Wine Coca) und Kosmetika (u.a. ein Haarfärbemittel) zusammengebraut, als er im Dezember 1885 gemeinsam mit dem Buchhalter Frank Mason Robinson (1845 – 1923) und zwei weiteren Geschäftspartnern die Pemberton Chemical Company gründete. Doc Pemberton war infolge mehrerer Verwundungen, die er sich im Amerikanischen Bürgerkrieg zugezogen hatte, morphiumabhängig, weswegen er mit der südamerikanischen Kokapflanze experimentierte, die ihn von seiner Sucht befreien sollte. Die Bewohner der Anden kauten seit Jahrhunderten Kokablätter, um damit Hunger, Durst, Kälte, Müdigkeit und die Auswirkungen der Höhenkrankheit zu verdrängen. Die Bergbaukonzerne in Peru und Bolivien bezahlten ihre Arbeiter zum Teil sogar mit Kokablättern, damit sie möglichst lange unter Tage arbeiten konnten. Die Gefährlichkeit des in Kokablättern enthaltenen Alkaloids Kokain, das 1859 isoliert wurde, war damals nur wenigen Ärzten und Wissenschaftlern bekannt.
Im Frühjahr 1886 mixte Pemberton ein kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk aus Wasser, Zucker, peruanischen Kokablättern, koffeinhaltigen Kolanüssen aus Westafrika und einigen weiteren Zutaten wie Zitronensäure, Vanilleextrakt, Karamel, Orangenöl, Muskatnussöl, Zimtöl, Korianderöl, Neroliöl und Limonenöl zusammen. Das war damals allerdings absolut nichts Besonderes, es gab schon vorher diverse ähnliche Getränke aus Sodawasser und allerlei zugesetzten Aromen, Kräutern und Gewürzen. Seit der englische Chemiker Joseph Priestley (1733 – 1804), der Entdecker des Sauerstoffs, 1767 erstmals künstlich mit Kohlensäure angereichertes Wasser als billige Alternative zum natürlichen Mineralwasser hergestellt hatte, gehörten so genannte Sodabars zum amerikanischen Alltag. Hier wurde Sodawasser – mit und ohne Zutaten – als Erfrischungsgetränk angeboten, oftmals aber auch als Medizin. Das neue Gebräu verkaufte sich in den Drugstores der heißen Südstaatenmetropole Atlanta recht gut, vor allem als dort im Sommer 1886 ein örtliches Alkoholverbot in Kraft trat. Frank Robinson erfand den Namen Coca-Cola und schrieb ihn in geschwungener Buchhalterschrift nieder – fertig war das weltbekannte Markenzeichen, das bis heute nur noch wenig verändert wurde.
Nachdem Pemberton im August 1888 verstorben war, entbrannte – ausgelöst durch mehrere undurchsichtige finanzielle Transaktionen der Gründer, Finanziers und Erben – ein monatelanger Streit um die Herstellungsformel und Markenrechte, die schließlich der Drogist Asa Griggs Candler (1851 – 1929) für sich entscheiden konnte. 1892 gründete er gemeinsam mit Frank Robinson The Coca-Cola Company. Die neuen Besitzer machten sich nun daran Coca-Cola mit viel Werbung (Candler: »Wahrscheinlich kann kein Film unter freiem Himmel gedreht werden, ohne ein Coca-Cola-Schild einzufangen.«) und einem Heer von Vertretern, die in ganz Amerika die »Coca-Cola-Religion« predigten, zum Nationalgetränk zu erheben. Seit 1894 gab es Coca-Cola in Flaschen (ab 1916 in der noch heute gebräuchlichen Konturflasche), 1899 wurden erstmals Lizenzen an fremde Abfüllfirmen vergeben, um den immer größer werdenden Markt beliefern zu können, und 1902 musste das Kokain, das bis zu diesem Zeitpunkt als harmloses Universalheilmittel gegolten hatte, aus der Limonade entfernt werden, nachdem in Georgia der Verkauf dieser Droge verboten worden war. 1919 verkaufte Candlers Sohn Howard The Coca-Cola Company an die Trust Company of Georgia (heute Sun Trust Bank), eine Regionalbank aus Atlanta.
In den 1920er Jahren gründete Coca-Cola überall in Europa Abfüllunternehmen; am 8. April 1929 füllte der Amerikaner Ray Rivington Powers erstmals Coca-Cola in Deutschland ab und ein Jahr später entstand die Coca-Cola GmbH in Essen. 1941, als die USA in den 2. Weltkrieg eintraten, wurden jedoch die Konzentrat-Lieferungen an die deutsche Tochter eingestellt. In weiser Voraussicht hatte Max Keith, der damalige Chef der Coca-Cola GmbH, bereits ein Jahr zuvor ein zweites Standbein aufgebaut: Eine koffeinhaltige Fruchtlimonade, die aufgrund der Rationierungen von Lebensmitteln aus allerlei Abfällen der Nahrungsmittelherstellung zusammengebraut wurde, u.a. aus Molke, Rübenzucker und Apfelresten. Der Fruchtgeschmack richtete sich danach, welche Früchte gerade erhältlich waren. Um einen Namen für das neue Getränk zu finden, versammelte Keith seine Mitarbeiter und forderte sie auf, ihre Fantasie zu bemühen. Dem Verkäufer Joe Knipp fiel daraufhin spontan der Name Fanta ein. Die ganzen Kriegsjahre über produzierten die deutschen und einige andere europäischen Coca-Cola-Abfüllwerke nur noch Fanta-Limonade, erst 1949 lieferte die amerikanische Muttergesellschaft wieder Coca-Cola-Konzentrat nach Deutschland. Ab 1960 wurde Fanta auch in den USA verkauft.
1961 brachte The Coca-Cola Company die Zitronen-Limonen-Limonade Sprite als Konkurrenzprodukt zu 7-Up auf den Markt. 7-Up war damals neben Dr Pepper, dem ältesten Softdrink der USA (seit 1885), die beliebteste »Uncola« Amerikas, was Coca-Cola dazu veranlasste, ein ähnliches Produkt zu entwickeln. Der Name Sprite entstand aus der seit 1942 verwendeten Werbefigur »Sprite-Boy«, einem Kobold mit einem Hut in Form eines Coca-Cola-Kronkorkens, der anfangs zur Etablierung der seit 1941 offiziell benutzten Zweitmarke Coke eingesetzt worden war. Das Wort »sprite« bedeutet auf englisch »Elf« (Kobold) bzw. »Elfe« (Fee). Ebenfalls 1960 erwarb Coca-Cola die 1946 gegründete Minute Maid Company, einen Hersteller von Fruchtsäften, dem seit 1954 die Marke Hi-C gehörte.
Für Coca-Cola selbst gab es bald keine Grenzen mehr. Was Botschafter und Politiker nicht zustande brachten, schafften die Coca-Cola-Vertreter spielend. Wo sie auch hinkamen, überall öffneten sich ihnen die Türen wie von selbst. Sogar der kubanische Staatschef Fidel Castro ließ sich Coca-Cola-trinkend von der Presse fotografieren; mit der US-Regierung indes unterhielt er nicht einmal diplomatische Beziehungen. Coca-Cola wurde immer mehr zu einer modernen Ersatzreligion, der sich niemand mehr entziehen konnte. Ein Coca-Cola-Mitarbeiter erzählte einmal: »Wohin ich auch gehe, sobald die Leute erfahren, dass ich für Coca-Cola arbeite, ist es, als sei ich ein Vertreter des Vatikans, als habe man Gott berührt. Ich bin immer wieder verblüfft. Es gibt eine erstaunliche Ehrfurcht vor diesem Produkt.« Paul Foley, Ex-Chef der für Coca-Cola tätigen Werbeagentur McCann-Erickson, sah die Sache etwas nüchterner: »Wir verkaufen Rauch. Sie trinken das Image, nicht das Produkt.«* Der Aufstieg zur Weltmarke war einerseits die Folge der gigantischen Werbung, die für dieses Produkt betrieben wurde, andererseits traf Cola aber auch den Geschmack der meisten Menschen auf der Welt. Das zeigte sich an den vielen Marken, die im Schlepptau von Coca-Cola entstanden. Bereits um die Jahrhundertwende gab es allein in den USA hunderte verschiedener Cola-Marken, von denen allerdings die wenigsten überlebt haben.
Ein schwerer Fehler unterlief dem Konzern 1985, als die inzwischen hundert Jahre alte Coca-Cola-Rezeptur leicht verändert wurde. Die Entrüstung der amerikanischen Bevölkerung war grenzenlos. Tausende Anrufe gingen täglich in der Firmenzentrale ein und es hagelte unzählige, zum Teil recht drastisch formulierte Protestbriefe. Auch in den Medien kam die neue, süßere Cola schlecht weg. Ein leitender Coca-Cola-Mitarbeiter brachte es auf den Punkt: »Die reden, als ob wir gerade Gott umgebracht hätten.«*. Keine drei Monate später beendete man das misslungene Experiment. Coca-Cola bekam wieder den traditionellen Geschmack. Hintergrund für diese Maßnahme waren die ab 1975 von Pepsi in amerikanischen Einkaufszentren und Fußgängerzonen durchgeführten blinden Geschmackstests zwischen Pepsi und Coke (Pepsi Challenge), die Pepsi aufgrund des süßeren Geschmacks meist für sich entscheiden konnte. Dies führte dazu, dass Pepsi-Cola seine Marktanteile in den USA kontinuierlich steigern konnte. 1980 verkaufte der Einzelhandel erstmals mehr Pepsi als Coke.
Coca-Cola gehört bis heute zu den erfolgreichsten Marken der Welt. Die braune Limonade aus Atlanta gibt es nahezu in jedem Land der Welt zu kaufen und selbst in den entlegensten Dschungelnestern schreien einem die rotweißen Werbeschilder entgegen: »Trink Coca-Cola!« Die originale Coca-Cola-Formel, Merchandise 7X genannt, die im Laufe der Jahre schon mehrmals geändert wurde, lag bis Ende 2011 in einem Tresor der Sun Trust Bank in Atlanta. Da die Bank ihre Anteile an der Coca-Cola Company bereits 2007 verkauft hatte, wurde das Rezept im Dezember 2011 ins Coca-Cola-Museum von Atlanta gebracht; die Besucher bekommen dort allerdings nur den Behälter zu sehen, in dem sich die geheime Rezeptur befindet.
Der Geschmack von Coca-Cola variiert von Land zu Land geringfügig, was einerseits an der jeweiligen Beschaffenheit des Wassers liegt, andererseits an den verwendeten Süßungsmitteln (Rübenzucker, Rohrzucker, Maissirup, chemische Süßstoffe). Die früher in Coca-Cola enthaltene Zitronensäure wurde inzwischen durch Phosphorsäure (als Lebensmittelzusatzstoff auch unter der Bezeichnung E 338 bekannt) ersetzt. Ihre dunkle Farbe erhält Cola durch die Lebensmittelfarbe E 150d (Zuckerkulör).
Coca-Cola gibt es seit den frühen 1980er Jahren in zahlreichen Varianten (u.a. Diet/Light, Zero, Cherry, Lime, Lemon, Vanilla, Orange). Neben Coca-Cola, Fanta, Sprite, Minute Maid und Hi-C stellt The Coca-Cola Company noch zahlreiche weitere Getränkemarken her (u.a. Apollinaris, Aquarius, BonAqua/BonAqa, Dasani, Fruitopia, Fresca, Kinley, Lift, Maaza, Manzana Mia, Mello Yello, Mezzo, Mr. Pibb, Powerade, Simply Orange, Surge, TaB, Vio).
The Coca-Cola Company produzierte jahrzehntelang lediglich das Konzentrat und lieferte es an hunderte meist unabhängige Abfüllunternehmen in alle Welt. Inzwischen ist der Konzern jedoch an mehreren größeren Abfüllern in Asien, Europa sowie Mittel- und Südamerika beteiligt. Der gesamte nordamerikanische Markt wird seit 2010 von der konzerneigenen Firma Coca-Cola Refreshments mit Fertiggetränken beliefert.
* zitiert aus »Für Gott, Vaterland und Coca-Cola«, Mark Pendergrast; Wien, 1993Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain