Markenlexikon
Bevor der deutschstämmige Walter Percy Chrysler (1875 – 1940) – seine Vorfahren hießen Kreisler – eine eigene Autofirma gründete, hatte er bei Buick, General Motors und Willys-Overland im Chefsessel gesessen und ein Millionenvermögen verdient. 1921 kaufte Chrysler die Maxwell Motor Company und 1923 trug erstmals ein Auto seinen Namen (Chrysler Six). 1925 fiel der Name Maxwell ganz weg und die Autos hießen nun nur noch Chrysler.
1928 erwarb Chrysler die Firma Dodge Brothers, die neben Personenwagen auch Lastwagen herstellte. Fortan unterschieden sich die Dodge-Modelle nicht mehr sonderlich von den anderen Fahrzeugen des Chrysler-Konzerns, vor allem von den preiswerten Mittelklassemarken De Soto (1928 – 1960) und Plymouth (1928 – 2000). Zahlreiche Fahrzeuge gab es in ähnlicher Form von mehreren Chrysler-Marken.
Mit dem Airflow versuchte Chrysler 1934 die Stromlinienform in den Automobilbau einzuführen, ähnlich wie Tatra mit dem futuristischen T77 kurz zuvor in Europa. Doch die Amerikaner mochten das neue Design überhaupt nicht. Bereits 1937 stellte man die Produktion wieder ein. Dennoch ging der Airflow in die Automobilgeschichte ein und inspirierte zahlreiche andere Hersteller, die verschiedene Design-Elemente für ihre Fahrzeuge übernahmen. Chrysler selbst kehrte bei den nächsten Modellen wieder zu einem konservativeren Stil zurück.
1940/1941 errichtete Chrysler gemeinsam mit der U.S. Army in Detroit ein Werk für die Produktion des Panzers M-3. Chrysler war der erste Hersteller der Welt, der Panzer in Serie baute. Das Werk selbst befand sich allerdings in Staatsbesitz, ebenso wie viele andere militärische Produktionsstätten auch. Daneben produzierte Chrysler während des Zweiten Weltkriegs u. a. Bomber vom Typ Martin B-26, Maschinengewehre zur Flugzeugabwehr und Armeelastwagen (Dodge).
Von 1955 bis 1961 baute Chrysler in der ebenfalls staatlichen Michigan Ordnance Missile Plant in Warren/Michigan die von Wernher von Braun und seinem Team entwickelte ballistische Mittelstreckenrakete Redstone sowie die davon abgeleiteten Trägerraketen Jupiter, Juno und Redstone-Mercury, mit denen die ersten amerikanischen Satelliten und Astronauten in den Weltraum geschossen wurden. Bis 1982, als Chrysler die Panzerproduktion an General Dynamics verkaufte, entstanden in der Detroiter Fabrik Panzer der Typen M47 Patton, M60 und M1 Abrams.
Trotz der starken Konkurrenz durch General Motors (Buick, Cadillac, Chevrolet, GMC, Oldsmobile, Pontiac) und Ford (Ford, Lincoln, Mercury) konnte sich Chrysler als dritter großer Automobilkonzern auf dem US-Markt behaupten. Besonders die Plymouth-Modelle verkauften sich dank ihres niedrigeren Preises sehr gut und die Marke war lange Zeit wesentlich erfolgreicher als Chrysler selbst. Die Luxusfahrzeuge, die mit Lincoln von Ford und Cadillac von General Motors konkurrierten, kamen zwischen 1954 und 1975 als Imperial auf den Markt.
Für Aufsehen sorgte 1963 der von einer Gasturbine angetriebene Chrysler Turbine Car, von dem nur rund fünfzig Exemplare für Testzwecke gebaut wurden. Die Turbine konnte ohne Umstellungen mit fast jedem flüssigen Brennstoff betrieben werden (Alkohol, Benzin, Diesel, Kerosin, Pflanzenöl). Das Auto wurde von zweihundert Durchschnittsfahrern drei monatelang getestet. Chrysler setzte die Entwicklungsarbeiten an diesem Projekt bis Ende der 1970er Jahre fort; eine geplante Serienfertigung wurde jedoch durch wirtschaftliche Schwierigkeiten des Konzerns verhindert.
Der Versuch mit mehreren Übernahmen (1958 – 1970 Simca, 1964 – 1967 Rootes Group [Commer, Hillman, Humber, Sunbeam, Talbot]) in Europa Fuß zu fassen, erwies sich aufgrund der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre als recht schwierig. Ein von Talbot und Simca entwickeltes Mittelklassefahrzeug wurde in Frankreich und Deutschland zeitweise als Chrysler-Simca vermarktet, in Großbritannien erst als Chrysler und später als Talbot-Simca. 1978 verkaufte Chrysler seine europäische Tochtergesellschaft Chrysler Europe und Montagewerke (Poissy, Ryton) an den französischen PSA-Konzern (Peugeot, Citroën). Einzelne Chrysler-Modelle (LeBaron, Neon, PT-Cruiser, Saratoga, Stratus, Voyager) wurden jedoch auch weiterhin über europäische Autohändler verkauft. Die Produktion schwerer Lastwagen stellte Chrysler/Dodge 1976 ein, nicht jedoch die Fertigung kleinerer Pickup-Trucks. Schulbusse wurden noch bis 1978 gefertigt.
1987 erwarb Chrysler den damals viertgrößten US-Autokonzerns American Motors Corporation (AMC), der 1954 aus dem Zusammenschluss von Nash-Kelvinator und Hudson Motor Car entstanden war. Zu AMC gehörte seit 1970 auch der Geländewagenhersteller Jeep. Das AMC-Hauptwerk in Kenosha/Wisconsin wurde 2010 geschlossen und zwei Jahre später abgerissen. Auch das ältere kanadische AMC-Werk (seit 1962) in Brampton/Ontario schloss Chrysler 1992; das zweite AMC-Werk (seit 1986) in Brampton und die Jeep-Werke in Toledo/Ohio blieben in Betrieb.
Eines der aufsehenerregenden Autos von Chrysler kam 1992 als Dodge Viper (in Europa Chrysler Viper) auf dem Markt. Der außergewöhnlich aggressiv gestylte und bis zu 600 PS starke Sportwagen, den es als Roadster und Coupé gab, wurde hauptsächlich bei Rennveranstaltungen eingesetzt. Die von Chrysler, ORECA (Frankreich) und Reynard (Großbritannien) ab 1995 gebaute Rennversion Viper GTS-R entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten Rennwagen aller Zeiten, der in den 1990er und frühen 2000er Jahren so ziemlich alles gewann, was es im Sportwagenbereich zu gewinnen gab (American Le Mans, Deutscher Langstreckenpokal Nürburgring, FIA-GT-Meisterschaft, 24-Stunden Daytona, 24-Stunden Le Mans, 24-Stunden Nürburgring, 24-Stunden Spa-Francorchamps, 12-Stunden Sebring).
1998 schlossen sich Daimler-Benz (Mercedes-Benz) und Chrysler zusammen (DaimlerChrysler). Rund zehn Jahre später war die so genannte »Welt AG« gescheitert. Trotz aufwendiger Sanierungsmaßnahmen schrieb die Chrysler-Sparte immer wieder tiefrote Zahlen. Von 2007 bis 2009 verkaufte DaimlerChrysler die US-Tochter schließlich an eine New Yorker Private-Equity-Gesellschaft, sodass Chrysler vorübergehend wieder ein selbstständiges Unternehmen wurde.
Infolge der weltweiten Wirtschaftskrise musste Chrysler 2009 Gläubigerschutz beantragen. Kurz darauf beteiligte sich der italienische Fiat-Konzern an Chrysler. 2014 erwarb Fiat auch die restlichen Anteile. Kurz darauf schlossen sich Fiat und Chrysler zum neuen Unternehmen Fiat Chrysler Automobiles (FCA) zusammen. 2021 fusionierten PSA (Citroën, DS, Opel, Peugeot, Vauxhall) und FCA Fiat-Chrysler Automobiles (Abarth, Alfa-Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Fiat, Lancia, Maserati, Ram) zum Stellantis-Konzern. Nach dem Auslaufen der Oberklasse-Limousine Chrysler 300 (2004 – 2023) gibt es von Chrysler nur noch den Van Chrysler Pacifica (seit 2016), den Nachfolger des Chrysler Voyager (1983 – 2016).
Stellantis North America (Chrysler, Dodge, Jeep, Ram) betreibt heute Werke in Brampton/Ontario (Kanada), Detroit/Michigan, Dundee/Michigan, Kokomo/Indiana, Saltillo (Mexiko), Sterling Heights/Michigan, Toledo/Ohio, Toluca (Mexiko), Trenton/Michigan, Warren/Michigan und Windsor/Ontario (Kanada). Von 1934 bis 1996 war das Werk in Highland Park/Michigan der Hauptsitz von Chrysler, danach wurde er nach Auburn Hills/Michigan verlegt. Viele Chrysler-Werke wurden inzwischen geschlossen (u. a. Belvidere/Illinois, Caracas/Venezuela, Clovelly Park/Australien, Córdoba/Argentinien, Detroit [Conner Avenue, Jefferson Ave, Lynch Road, Wyoming Ave], Evansville/Indiana, Fenton/Missouri, Hamtramck/Michigan, Highland Park/Michigan, Monte Chingolo/Argentinien, Newark/Delaware, San Justo/Argentinien, San Leandro/California, Sao Bernardo do Campo, Stockton/California, Valencia/Venezuela).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain