Markenlexikon
Der in der Schweiz geborene und in Frankreich aufgewachsene Louis Joseph Chevrolet (1878 – 1941) wanderte 1905 mit seinen Brüdern nach Kanada aus. Später ging er in die USA, wo er vor allem als erfolgreicher Rennfahrer Berühmtheit erlangte. 1908 baute er sich auf Basis eines Buick einen eigenen Rennwagen, woraufhin William Durant, der Gründer und Chef der Buick-Muttergesellschaft General Motors, auf ihn aufmerksam wurde. 1910 musste Durant wegen finanzieller Schwierigkeiten des Konzerns seinen Chefsessel bei GM räumen, und da kam ihm die Bekanntheit eines Louis Chevrolet gerade Recht.
1911 gründeten Louis Chevrolet, William Little und Edwin Cambell (der Schwiegersohn von Bill Durant) mit finanzieller Hilfe Durants in Detroit die Chevrolet Motor Company. Gleichzeitig kam auch das erste Automobil mit dem Namen Chevrolet, der Classic Six, auf den Markt. Das war das einzige Fahrzeug an dessen Konstruktion Louis Chevrolet beteiligt war. Chevrolet, der vor allem große und teure Autos bauen wollte, verließ seine Firma bereits 1913 wieder, nachdem sich Durant als Geldgeber und eigentlicher Chef für den Massenmarkt entschieden hatte. Der Chevrolet Baby Grand trug 1914 erstmals das bis heute verwendete Markenzeichen (Bowtie), das sich Durant schon Jahre vorher von einem Tapetenmuster eines Pariser Hotels abgeschaut haben soll.
Die enormen Gewinne die Chevrolet mit seinen recht preiswerten Modellen einfuhr, ermöglichten es Durant, sich wieder bei General Motors einzukaufen und in seine ursprüngliche Chefposition zurückzukehren. 1918 wurde Chevrolet neben Buick, Cadillac, GMC, Oldsmobile und Oakland/Pontiac die sechste GM-Marke. War bis dahin Buick der technische und finanzielle Schrittmacher innerhalb des GM-Konzerns gewesen, so wurde nun Chevrolet die führende Marke. Nachdem Ford 1927 sein populäres, aber inzwischen veraltetes T-Modell eingestellt hatte, stand Chevrolet an der Spitze der US-Autohersteller. In den 1930er Jahren kehrte Louis Chevrolet noch einmal für kurze Zeit als normaler Arbeiter zu Chevrolet zurück, nachdem alle seine weiteren Firmengründungen wenig erfolgreich gewesen waren. 1941, im Todesjahr Louis Chevrolets, stieg die Firma, die seinen Namen trug, zum weltgrößten Fahrzeughersteller auf.
Ab 1918, als Chevrolet von GM übernommen worden war, kamen die Nutzfahrzeuge des Konzerns teilweise als GMC und Chevrolet in den Handel. Die General Motors Truck Company produzierte bereits seit 1912/1913 in Pontiac/Michigan Nutzfahrzeuge. GM avancierte in den nächsten Jahrzehnten neben International Harvester (IHC), Freightliner, Ford und Mack zu einem der führenden US-Hersteller von leichten, mittleren und schweren Lastwagen sowie Zugmaschinen, wobei sich das Unternehmen auf Fahrzeuge von der Stange spezialisierte, während Kenworth oder Peterbilt eher individuelle Trucks für selbstständige Trucker fertigten. Durch die Übernahme der Yellow Coach Manufacturing Company (1925), die John Hertz (Besitzer der Taxifirma Yellow Cab und der Hertz-Autovermietung) zwei Jahre zuvor gegründet hatte, kam GM auch in den Besitz eines Omnibus-Herstellers.
1953 brachte Chevrolet mit der Corvette den ersten US-Sportwagen auf den Markt. Bis zu dieser Zeit dominierten Sportwagen europäischer Herkunft die amerikanischen Straßen. Die Corvette war auch das erste Serienfahrzeug der Welt mit einer Kunststoffkarosserie (Glassfiber) – noch vor dem ostdeutschen Trabant (Duroplast). Mit dem Camaro brachte Chevrolet 1966 einen weiteren Sportwagen heraus, der wie der Ford Mustang, der Plymouth Barracuda oder der Dodge Challenger von Chrysler zur Klasse der Pony-Cars gehörte (kompakte Coupés und Cabrios mit Sechs- oder Achtzylinder-Motoren). Der Pontiac Firebird war ein Schwestermodell des Camaro. In Europa übernahmen der Ford Capri und der Opel Manta die Rolle der Pony-Cars.
Innerhalb der GM-Markenhierarchie ist Chevrolet im unteren Preissegment angesiedelt. Die Full-Size- und Mid-Size-Cars (entspricht in etwa der deutschen Oberklasse und Oberen Mittelklasse) von Chevrolet (u. a. Bel Air, Biscaine, Caprice, Chevelle, Impala, Malibu) gehörten neben den Ford-Modellen und den Plymouth-Modellen von Chrysler jahrzehntelang zu den bestverkauften Pkw in Nordamerika. Auch in Mittel- und Südamerika ist die Marke Chevrolet weit verbreitet. In Asien, Australien und Europa trat GM lange Zeit unter den Namen der dortigen Tochtergesellschaften auf (Bedford, Daewoo, Holden, Isuzu, Opel, Saab, Vauxhall). Diese Unternehmen und Beteiligungen wurden jedoch inzwischen verkauft. Chevrolet produzierte zeitweise auch kleinere Kompaktfahrzeuge (Corvair, Chevette, Vega).
Von 1986 bis 2003 zog sich General Motors aus dem Nutzfahrzeuggeschäft weitgehend zurück (1986 Bedford, 1987 Omnibusse, 1997 schwere Trucks, 2003 Militärfahrzeuge). Lediglich Geländewagen (Blazer, Suburban), Kleintransporter (Corvan, Express, Greenbrier, Van), Pickup Trucks (C-Serie, Colorado, LUV, Silverado, S-Serie), SUV (Blazer, Captiva, Equinox, Tahoe, Traverse), Vans (Astro) und Wohnmobile werden bis heute produziert.
Nachdem GM 2002 die Automobilabteilung des Daewoo-Konzerns erworben hatte, kamen die in Südkorea und Vietnam montierten Klein- und Mittelklassefahrzeuge ab 2005 auf vielen Märkten als Chevrolet in den Handel (Europa, Kanada, Naher Osten, Südafrika, Thailand, USA). Da man mit den preiswerten Chevrolet-Modellen den damaligen GM-Tochtergesellschaften Opel (Deutschland) und Vauxhall (Großbritannien) zu starke Konkurrenz machte, zog sich Chevrolet 2016 vom europäischen Markt wieder zurück.
Stark gestiegene Benzinpreise, Kaufzurückhaltung bei den durstigen Geländewagen und Pickup-Trucks sowie die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 führten dazu, dass GM 2009 Insolvenz anmelden musste. Im Zuge der Neuausrichtung des Konzerns wurden die Marken Pontiac, Saturn und Hummer eingestellt; die Marke Oldsmobile gibt es schon seit 2004 nicht mehr. Übrig blieben nur Buick, Cadillac, Chevrolet und GMC. 2010 brachte GM mit dem Chevrolet Volt/Opel Ampera erstmals ein Elektroauto auf den Markt.
Die Chevrolet-Modelle wurden/werden in zahlreichen GM-Werken montiert, u. a. in Arlington/Texas, Baltimore/Maryland, Bogotá (Kolumbien), Bowling Green/Kentucky, Incheon (Südkorea), Changwon (Südkorea), Detroit/Michigan, Doraville/Georgia, Flint/Michigan, Gunsan (Südkorea), Hanoi (Vietnam), Ingersoll/Ontario (Kanada), Janesville/Wisconsin, Jinqiao (China), Kansas City/Kansas, Lake Orion/Michigan, Lakewood/Georgia, Lansing/Michigan, Lordstown/Ohio, Moraine/Ohio, Norwood/Ohio, Oklahoma City/Oklahoma, Oshawa/Ontario (Kanada), Pontiac/Michigan, Ramos Arizpe/Mexiko, Rayong (Thailand), Roanoke/Indiana, Scarborough/Ontario (Kanada), Shenyang (China), Shreveport/Louisiana, Silao (Mexiko), South Gate/California, Spring Hill/Tennessee, São José dos Campos (Brasilien), Valencia (Venezuela), Van Nuys/California, Wentzville/Missouri, Wuhan (China) und Yantai (China).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain