Markenlexikon
Die erste elektrische Autorennbahn entwickelte die britische Firma Scalextric 1957. Hermann Neuhierl (1927 – 1985), ein promovierter Chemiker und Besitzer der Spielzeugfirma JNF (Josef Neuhierl Fürth), die damals Blechspielzeug herstellte, sah diese Slot-Racing-Rennbahn (wegen des Slots/Schlitzes, der die Autos bzw. deren Leitkiele in der Spur hält) erstmals in den USA. 1963 brachte er in Deutschland eine eigene Version auf den Markt.
Den Namen Carrera (span. Wettrennen, Rennen) lieh er sich vom Porsche Carrera aus und Porsche wiederum, hatte bei der Namensfindung auf das berühmte mexikanische Automobilrennen »La Carrera Panamericana« zurückgegriffen, das erstmals 1950 ausgetragen worden war. Die über 3.200 Kilometer lange Strecke von Tuxtla nach Nuevo Lareda galt als größte automobilsportliche Herausforderung der damaligen Zeit. Porsche gewann dieses Rennen 1953 und 1954.
Die Carrera-Bahnen lösten einen ungeheuren Boom in den Kinderzimmern der 1960er und 1970er Jahre aus. Und nicht nur bei Kindern, selbst Erwachsene schlossen sich in Carrera-Clubs zusammen, wo sie in der Freizeit ihrem Hobby fast auf professionelle Weise nachgingen. Von 1966 bis in die späten 1970er Jahre wurde sogar eine Carrera-Bundesmeisterschaft ausgetragen. Darüber hinaus stellte Carrera auch Aufziehmodelle, Flugzeug- und Raketenbahnen mit transparenten Schienen sowie funkferngesteuerte Autos, Boote und Flugzeuge her.
Mit Beginn der 1980er Jahre, als Home-Computer und Videospiele in Mode kamen, ging es mit Carrera jedoch schnell bergab. Zu viele verschiedene Systeme und Modelle, ein Rückgang der Kinderzahlen, Überkapazitäten und schlechtes Management führten schließlich Anfang 1985 zum Konkurs; kurz darauf beging Hermann Neuhierl zusammen mit seiner 85-jährigen Mutter Selbstmord. Nachdem man die Produktion in Billiglohnländer verlegt hatte (China, Hongkong, Osteuropa), machte die Firma ab 1990 wieder Gewinne. Neben Autorennbahnen stellte Carrera nun auch Plüschtiere, Modelleisenbahnen, Spielfiguren und Kunststoffteile für die Autoindustrie her.
Nach einer erneuten Insolvenz gehörte Carrera Toys ab 1999 zur Salzburger Firma Stadlbauer, die den Standort Nürnberg 2010 aufgab. 2019 wurde Carrera Toys von einem Münchener Finanzinvestor erworben, dem bereits die Modellbaufirma Revell Deutschland gehörte, die mit der Ursprungsfirma aus den USA nichts mehr zu tun hat.
Text: Toralf Czartowski