Markenlexikon
Der im Libanon geborene Mario Kassar (* 1951) betätigte sich in seiner Heimat bereits im Alter von 15 Jahren als Verleiher von französischen und italienischen Filmen. 1975 lernte er auf dem Filmfestival von Cannes den ungarischen Kinobesitzer und Filmproduzenten Andrew G. Vajna (1944 – 2019) kennen. Vajna war 1956 aus Ungarn geflohen und hatte später in Los Angeles Kinematografie studiert. Anschließend öffnete er ein eigenes Fotostudio und arbeitete als Friseur. Durch einen ebenfalls aus Ungarn stammenden Jugendfreund, der in Hollywood Perücken herstellte, fand er ein neues Betätigungsfeld. Später zog er nach Hongkong, wo er eine eigene Perückenfabrik gründete (Gilda Fashion), die bald über 3000 Mitarbeiter beschäftigte. 1973 verkaufte er diese Firma wieder und erwarb dafür zwei Kinos in Hongkong. Außerdem produzierte er einige Martial-Arts-Filme, u.a. den recht erfolgreichen Film »The Deadly China Doll«.
1976 gründeten Kassar und Vajna in Los Angeles eine gemeinsame Firma, die sich zunächst auf den Verleih und die Finanzierung von Filmen konzentrierte. Den Namen Carolco kauften sie von einer insolventen Firma mit Sitz in Panama. Zu den Filmen, an deren Finanzierung Carolco beteiligt waren, gehören u.a »Futureworld – Das Land von Übermorgen« (1976; American International Pictures), »Treffpunkt Todesbrücke« (1976; ITC Entertainment), »Der Adler ist gelandet« (1977; ITC Entertainment), »Das Domino Komplott« (1977; ITC Entertainment) und Shogun (1980; Paramount TV).
Mit dem Sylvester-Stallone-Film »Rambo« stieg Carolco 1982 in die Filmproduktion ein. Mehrere Versuche den Roman »First Blood« (1972) von David Morrell zu verfilmen waren zuvor an unterschiedlichen Gründen gescheitert (Columbia Pictures, Warner Bros., Cinema Group/Filmways). Kassar und Vajna kauften die Filmrechte 1981 schließlich von Warner Bros. und konnten den Rocky-Darsteller Sylvester Stallone für die Rolle des John Rambo gewinnen. Der weltweite Erfolg des Films sowie der beiden Nachfolger »Rambo 2 – Der Auftrag« (1985) und »Rambo III« (1988) begründete den Aufstieg Carolcos zu einer der führenden unabhängigen Filmproduktionsfirmen im Hollywood der 1980er Jahre. Einen ähnlichen Erfolg hatten in dieser Zeit nur Orion Pictures und Cannon Films. Den Vertrieb der Carolco-Filme übernahm ab 1984 TriStar Pictures, ein Jointventure von Columbia Pictures, dem TV-Network CBS und dem Pay-TV-Sender HBO. Der erste Teil von Rambo war noch von Orion Pictures vertrieben worden.
Weitere erfolgreiche Carolco-Filme der 1980er Jahre waren »Angel Heart« (1987; mit Mickey Rourke), »Red Heat« (1988; mit Arnold Schwarzenegger), »Der stählerne Adler II« (1988) und »John Carpenter’s Sie leben« (1988). 1989 stieg Andrew G. Vajna bei Carolco aus und gründete eine neue Firma (Cinergi Pictures). Dafür beteiligte sich 1990 der japanische Elektronikkonzern Pioneer an Carolco.
1990 kam mit »Die totale Erinnerung – Total Recall« (mit Arnold Schwarzenegger) ein weiterer Blockbuster in die Kinos. »Total Recall« spielte weltweit 261,3 Millionen US-Dollar ein. Im gleichen Jahr erwarb Carolco von der Hemdale Film Corporation (1984 »Terminator«, 1986 »Salvador«, 1986 »Platoon«, 1987 »Der letzte Kaiser«) die Rechte für eine Fortsetzung des Science-Fiction-Films »Terminator«, an dem Carolco bereits die TV-Rechte besaß. »Terminator 2 – Tag der Abrechnung« (1991), der wieder von James Cameron gedreht wurde, war der erste Film, der über 100 Millionen US-Dollar kostete. Weltweit spielte er 520 Millionen US-Dollar und avancierte damit zum umsatzstärksten Film des Jahres und zum erfolgreichsten Carolco-Film. Außerordentlich erfolgreich war 1992 auch der Eroktikthriller »Basic Instinct«; er spielte über 350 Millionen US-Dollar ein.
Trotz der erfolgreichen Filme verlor Carolco ab Anfang der 1990er Jahre viel Geld, was daran lag, dass die Blockbuster so teuer waren, dass man damit kaum noch viel verdienen konnte. Stars wie Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone bekamen Unsummen von Gehältern und die Führungsmannschaft von Carolco, allen voran Mario Kassar, warfen das Geld mit vollen Händen zum Fenster raus. Mögliche Flops wurden nicht einkalkuliert, man glaubte ewig nur Blockbuster produzieren zu können. Aber gerade abseits der großen Filme brachte Carolco viele unprofitable Produktionen auf den Markt.
1992 kam es schließlich zur Neuaufteilung der Besitzverhältnisse. Eigentümer wurden nun RCS (Rizzoli-Corriere della Sera; Italien), Le Studio Canal+ (Frankreich), Pioneer (Japan) und die Filmgesellschaft Metro-Goldwyn-Mayer (USA), die nun auch den US-Verleih übernahm, nachdem der alte Vertrag mit TriStar Pictures ausgelaufen war. Mit »Cliffhanger – Nur die Starken überleben« (1993) und »Stargate« (1994), an dessen Produktion Carolco neben anderen beteiligt war, gelangen noch einmal zwei erfolgreiche Filme. Die beiden Flops »Showgirls« (1995) und »Die Piratenbraut« (1995) brachen dem finanziell angeschlagenen Unternehmen jedoch das Genick. Eine Zeit lang galt »Die Piratenbraut« als größter kommerzieller Flop des Filmgeschäfts mit einem Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde. Schließlich musste Carolco Ende 1995 Insolvenzschutz beantragen. Doch während diese Vorstufe der Insolvenz häufig der Entschuldung des Unternehmens mit anschließendem Neuanfang dient, bedeutete es für Carolco das Ende. Einen Großteil der Vermögenswerte, Namens- und Verwertungsrechte übnahm schließlich die französische Canal+ Gruppe.
1998 gründeten Mario Kassar und Andrew G. Vajna erneut eine gemeinsame Firma (C2 Pictures), die an der Produktion der Filme »Terminator 3 – Rebellion der Maschinen« (2003) und »Basic Instinct 2« (2006) beteiligt war. C2 Pictures wurde 2008 aufgelöst. Eine geplante Wiederbelebung der Marke Carolco durch den Filmproduzenten Alexander Bafer scheiterte 2017. Er hatte seine Firma Brick Top Productions 2015 in Carolco Pictures umbenannt. Dagegen ging jedoch StudioCanal (eine Tochter von Canal+) gerichtlich vor, woraufhin Carolco Pictures in Recall Studios umbenannt werden musste.
Text: Toralf Czartowski