Markenlexikon

Borgward

Ursprungsland: Deutschland

Der Schlosser und Maschinenbauingenieur Carl Friedrich Wilhelm Borgward (1890 – 1963), dem seit 1921 eine Kühlerfabrik in Bremen gehörte, entwickelte 1924 einen dreirädrigen offenen Lieferwagen mit Pritsche und DKW-Motor. Diese sogenannte Blitzkarre, die rund fünf Zentner laden konnte, und seine größeren Nachfolger Goliath Rapid (1925), Goliath Standard (1925) und Goliath Pionier (1931) verkauften sich in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren recht gut; u. a. erwarb die Reichspost in Bremen eine größere Anzahl von Blitzkarren, die sie für Entleerung von Briefkästen und das Zustellen von Paketen einsetzte. Zu dieser Zeit gehörte Goliath-Borgward zu den führenden deutschen Nutzfahrzeugherstellern.

1928 erwarb Borgward ein Karosseriewerk in Bremen-Hastedt und 1929 die benachbarten Hansa-Lloyd-Werke, die Pkw und Lastwagen herstellten. Hansa war 1905 in Varel gegründet worden, Lloyd 1906 als Tochtergesellschaft der Reederei Norddeutscher Lloyd. 1914 hatten sich beide Firmen zusammengeschlossen. Das Werk in Varel wurde 1930 geschlossen, dafür entstand 1939 ein neues Werk in Bremen-Sebaldsbrück.

Während des Zweiten Weltkriegs produzierten die Borgward-Werke u. a. Lastwagen, Zugmaschinen, Schützenpanzer, Ladungsträger und Torpedos. Beide Werke wurden bei Luftangriffen 1944 zu großen Teilen zerstört. Carl Borgward verbrachte nach dem Ende des Krieges neun Monate in amerikanischer Haft, wo er sich mit der Entwicklung des späteren Hansa 1500 beschäftigte. Erst nach Beendigung des Entnazifizierungsverfahrens (Borgward war NSDAP-Mitglied gewesen und hatte in seinen Werken Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt), durfte Borgward 1948 sein Unternehmen wieder übernehmen.

Das erste Nachkriegsfahrzeug war der Drei-Tonner-Lastwagen B 3000, der bereits von 1941 bis 1944 produziert worden war. Auch die Dreirad- und Vierradlieferwagen wurden weiterhin gefertigt, ebenso Kleintransporter, Kleinbusse, Lastwagen, Bus-Chassis und Geländefahrzeuge. Um mehr Rohstoffzuteilungen zu bekommen, teilte Borgward sein Unternehmen 1949 in drei Einzelfirmen auf: Borgward (Bremen-Sebaldsbrück), Goliath (Bremen-Hastedt) und Lloyd (Bremen-Hastedt).

Als erste deutsche Auto-Neukonstruktion nach dem Ende des Krieges brachte Borgward den Hansa 1500/1800 (1949 – 1954) auf den Markt, ein Mittelklassefahrzeug mit moderner Ganzstahl-Pontonkarosserie. Für den kleinen Geldbeutel entwickelte Lloyd den von einem Zweitaktmotor angetriebenen Kleinwagen Lloyd LP 300 (1950 – 1952), der wegen seiner Sperrholzkarosserie mit Kunstlederbespannung auch scherzhaft Leukoplastbomber genannt wurde (nach der Pflastermarke Leukoplast). Dieses Modell, das noch unterhalb des VW Käfers angesiedelt war, verkaufte sich aufgrund seines moderaten Preises ähnlich gut wie der größere Bruder aus Wolfsburg. Auch die Nachfolger Lloyd 400 (1953 – 1957) und Lloyd 600/Lloyd Alexander (1955 – 1961), die eine etwas elegantere Stahlkarosserie und modernere Technik hatten, gehörten zu den Umsatzbringern des damals fünftgrößten deutschen Autokonzerns (nach VW, Opel, Daimler-Benz und Ford).

Keine so glückliche Hand hatte Borgward bei den Oberklasse-Fahrzeugen. Der Hansa 2400 (1952 – 1958), den es als Schrägheck- und Stufenheck-Limousione gab, traf nicht den Geschmack der Zielgruppe und verkaufte sich dementsprechend schlecht. Auch der Nachfolger Borgward P 100 (1959 – 1962), das erste deutsche Serienfahrzeug mit einer Luftfederung, kam infolge des Borgward-Konkurses nicht mehr richtig in Fahrt.

Borgward
Borgward

Zum größten Erfolg entwickelte sich das Mittelklassemodell Borgward Isabella (1954 – 1961), das es als Limousine, Kombi, Coupé, Cabriolet und Pickup-Truck gab. Besonders die Coupé- und Cabrio-Varianten waren außergewöhnlich schöne und elegante Fahrzeuge, die neben den Mercedes-Modellen 300 SL und 190 SL sowie dem Porsche 356 zu den deutschen Traumautos der Wirtschaftswunderjahre zählten.

Auch Goliath baute neben den drei- und vierrädrigen Kleintransportern ab 1950 einige Mittelklasse-Fahrzeuge (GP 700/900/1100). Da der Name Goliath jedoch zu sehr mit Nutzfahrzeugen in Verbindung gebracht wurde, kam das letzte Modell, der GP 1100, ab 1958 als Hansa 1100 in den Handel.

1959 brachte Borgward den durchaus gelungenen Kompaktwagen Lloyd 900 Arabella (mit gehobener Ausstattung Borgward Arabella) auf den Markt. Wegen einer fehlerhaften Kalkulation verlor das Unternehmen jedoch mit jedem verkauften Exemplar Geld. Hinzu kamen anfängliche Qualitätsprobleme (Getriebeschäden, Regenwasser im Innenraum), die zu teuren Rückrufaktionen führten und das Image der Marke nachhaltig beschädigten. Die Arabella wurde spöttisch Aquabella genannt und für die Marke Lloyd war schon seit Jahren der Spruch »Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd« im Umlauf.

Die zu große Modellvielfalt ohne rentable Stückzahlen, prestigeträchtige und teure Projekte ohne Nutzen (Bau zweier Hubschrauber-Prototypen, Motorsport), eine zu dünne Kapitaldecke und eine schlechte Organisation innerhalb der Unternehmensgruppe (jede Firma hatte eine eigene Entwicklungs- und Einkaufsabteilung) führten schließlich 1961 zum Konkurs der Borgward-Gruppe. Da im Zuge der Abwicklung des Unternehmens von 1961 bis 1969 alle Gläubigeransprüche befriedigt werden konnten, ist bis heute unklar, ob tatsächlich eine Konkursreife bestand oder ob das unübersichtliche Finanzwesen des Konzerns zu diesem Ausgang beigetragen hat. Die Werke der Borgward-Gruppe wurden nach und nach an andere Unternehmen verkauft (AEG, Büssing, Rheinstahl-Hanomag, Siemens).

Ab Mitte der 2000er Jahre plante Christian Borgward, ein Enkel des Firmengründers, gemeinsam mit seinem Partner Karlheinz Knöss, einem Journalisten und Ex-Pressesprecher von GM/Saab und DaimlerChrysler, eine Wiederbelebung der Marke Borgward. 2008 gründeten beide in Luzern eine neue Borgward-Firma. 2014 verkauften Borgward und Knöss die Rechte an den Marken Borgward, Goliath, Isabella und Lloyd an den chinesischen Nutzfahrzeughersteller Beiqi Foton, eine Tochtergesellschaft der Beijing Automotive Industry Corporation (BAIC), zu der auch der Pkw-Hersteller Beijing Automobile Works (BAW) gehörte. BAW hatte bereits 2009 Konstruktions- und Produktionsanlagen für die Fertigung der Saab-Modelle 9-3 und 9-5 erworben; der 9-5 war daraufhin zum Senova D70 weiterentwickelt worden.

Auf Basis der Senova-Plattform entstanden dann mehrere SUV (BX7, BX5, BX6, BX3), die ab 2016 in einem Foton-Werk in Miyun bei Peking vom Band liefen und als Borgward in China und Deutschland online vermarktet wurden. Auf der IAA 2017 zeigte Borgward das Konzeptfahrzeug Isabella Concept, eine futuristische Sportlimousine mit vier Schiebetüren. Als Foton selbst mit Problemen zu kämpfen hatte und frisches Kapital benötigte, reichte das Unternehmen die Borgward-Anteile 2018 an eine chinesische Beratungsfirma weiter, die sie kurz darauf an den chinesischen Mobilitätsanbieter Ucar (Autohandelportale, Chauffeurdienste, Reiseportale) weiterreichte. Während der Corona-Pandemie brachen die Verkäufe in China drastisch ein. 2021 wurde die Produktion der BX-Modelle schließlich beendet. 2022 erklärte eine Gericht Borgward in China für insolvent.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain