Markenlexikon
Der Beruf des Schusters hatte in der Familie Baťa schon eine lange Tradition, als Tomáš Baťa (1876 – 1932) gemeinsam mit seinem Bruder Antonín und seiner Schwester Anna 1894 in der tschechischen Stadt Zlín, die damals zu Österreich-Ungarn gehörte, eine eigene Firma gründete. Ein Jahr später, als Antonín in die Armee eintrat und Anna heiratete, übernahm Tomáš die alleinige Leitung des Unternehmens. Zu dieser Zeit wurden Schuhe noch in kleinen Schusterwerkstätten mit wenigen Angestellten hergestellt. Baťa produzierte dagegen bald im großen Stil; er kaufte moderne Maschinen aus Deutschland, errichtete um die Jahrhundertwende das erste Fabrikgebäude in Zlín und begann 1909 mit dem Export seiner Schuhe nach Deutschland, in die Balkan-Region und in den Nahen Osten. Während des Ersten Weltkriegs versorgte das Unternehmen die österreichisch-ungarische Armee mit Militärstiefeln.
1918 entstand aus den zuvor zu Österreich-Ungarn gehörenden Gebieten Böhmen (Tschechien), Mähren-Schlesien, Slowakei und Karpatenrussland die neue Tschechoslowakei; Bata wurde somit ein tschechoslowakisches Unternehmen. In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren gründete Bata zahlreiche neue Niederlassungen, Tochtergesellschaften und Produktionsstätten (u.a. Brasilien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Jugoslawien, Kanada, Niederlande, Polen, Schweiz, USA), die relativ selbstständig agierten, um die regionalen Märkte optimal entwickeln zu können. Aus den sehr großzügig angelegten Werkssiedlungen mit Wohnhäusern, Schulen, Geschäften und Kinos entstanden später eigene Städte oder Stadtteile (u.a. Otrokovice-Baťov/Tschechien, Baťovany/Slowakei, Bataville/Frankreich, Batawa/Kanada, Bataguassu/Brasilien, Batapur/Pakistan, Batanagar/Indien, Batadorp/Niederlande).
1931 stieg Bata zum größten Schuhhersteller der Welt auf, gleichzeitig wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Neben Schuhen produzierte Bata auch Spielzeug, Fahrräder, Flugzeugteile und Fahrzeugreifen (anfangs vor allem für die eigene Transportflotte). Nachdem der Gründer 1932 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, übernahm sein Halbbruder Jan Antonín Baťa (1898 – 1965) die Leitung des Unternehmens. Aufgrund der instabilen politischen Lage in Europa ging Tomáš Jan Baťa (1914 – 2008; später nannte er sich Thomas J. Bata), der Sohn des Gründers, 1939 nach Toronto (Kanada), wo er anschließend eine neue Landesgesellschaft aufbaute. Jan emigrierte in die USA und später nach Brasilien.
1945 wurde der tschechoslowakische Teil des Konzerns verstaatlicht und in Svit (Slovenské vizkózové továrne) umbenannt. Die Reifenaktivitäten firmierten nun als Barum (Zusammenschluss der Gummihersteller BAta, RUbena und Mitas). Zahlreiche Produktionsstätten in den Ostblockstaaten gingen damit für Bata verloren. Ein tschechoslowakisches Gericht verurteilte Jan Antonín Baťa 1947 in Abwesenheit wegen angeblicher Zusammenarbeit mit den NS-Besatzern zu fünfzehen Jahren Haft und zum Verlust des gesamten Eigentums (2007 wurde das Urteil aufgehoben). Thomas J. Bata und seine Mutter Marie Baťa sowie Jan Antonín Baťa stritten sich nach Kriegsende jahrelang vor Gericht um das Firmenerbe; erst 1962 gab Jan Baťa alle Ansprüche auf.
1964 wurde der Hauptsitz der Bata Shoe Organization offiziell nach Toronto verlegt, wo Thomas J. Bata auch seinen Wohnsitz hatte. 1995 eröffnete Bata in Toronto das weltgrößte Schuhmuseum mit 12.500 Ausstellungstücken aus über 4500 Jahren Menschheitsgeschichte (Ursprung dieses Museum war eine umfangreiche Schuhsammlung, die Sonia Bata, die Frau von Thomas J. Bata, im Laufe der Zeit zusammengetragen hatte). Die wichtigsten Produktionsstandorte des Bata-Konzerns befinden sich in Indien (Faridabad, Bangalore, Bataganj, Batanagar), Indonesien (Purwakarta), Pakistan (Lahore), Thailand (Bangkok), Tschechien (Dolni Nemci), Chile (Penaflor) und Ecuador (Latacunga). Bata betreibt rund 5000 eigene Schuhgeschäfte in über fünfzig Ländern.
Text: Toralf Czartowski