Markenlexikon

BAE Systems

Ursprungsland: Großbritannien

In Großbritannien gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zahlreiche Flugzeughersteller, die um zivile und militärische Aufträge miteinander konkurrierten, u.a. Avro (Manchester-Woodford), Blackburn (Brough), Bristol (Filton/Bristol), De Havilland (Hatfield, Hawarden), English Electric (Bradford, Samlesbury, Warton), Fairey (Hayes), Folland (Hamble-le-Rice), Gloster (Hucclecote, Brockworth), Handley Page (Cricklewood), Hawker-Siddeley (Kingston upon Thames), Hunting (Luton), Saro Saunders-Roe (East Cowes), Scottish Aviation (Prestwick), Sopwith (Kingston-upon-Thames), Supermarine (Woolston/Southampton) und Vickers-Armstrongs (Hawarden, Weybridge).

In den 1950er Jahren übte die britische Regierung großen Druck auf die heimischen Flugzeughersteller aus, sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen, wenn sie weiter staatliche Aufträge bekommen wollten, ähnlich wie es auch in Frankreich praktiziert wurde. Da der Staat nicht nur Rüstungsaufträge vergab, sondern indirekt auch Aufträge für zivile Flugzeuge (da die großen britischen Fluggesellschaft wie BOAC oder BEA Staatskonzerne waren), blieb den meisten Herstellern nichts anderes übrig, als dem staatlichen Wunsch Folge zu leisten.

So entstanden zwischen 1959 und 1963 zwei Gruppen: Hawker-Siddeley (Avro, Blackburn, De Havilland, Folland, Hawker) und die British Aircraft Corporation (Bristol, English Electric, Hunting, Vickers-Armstrongs). Die traditionellen Namen der Flugzeughersteller wurden im Laufe der 1960er Jahre zugunsten der Kürzel BAC und HS nach und nach aufgegeben.

Auch die Produktion von Hubschraubern (Bristol, Saunders-Roe, Westland) und Flugmotoren (Armstrong-Siddeley Motors, Bristol Aero-Engines, De Havilland Engine, Blackburn Engines) wurden zur selben Zeit unter jeweils einem Dach zusammengefasst (Bristol-Siddeley, Westland Helicopters). Mit der Übernahme von Bristol-Siddeley durch Rolls-Royce war 1966 die Konzentration der britischen Luftfahrtindustrie zunächst abgeschlossen.

Nachdem die weltweite Ölkrise in den frühen 1970er Jahren den großen Airlines bei der Flugzeugbeschaffung Zurückhaltung auferlegte und selbst die prestigeträchtige Concorde kaum Käufer anlockte, kamen die europäischen Hersteller zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. 1976 nahm sich die britische Regierung des Problems im eigenen Land an und verstaatlichte die beiden Flugzeughersteller Hawker-Siddeley (Airbus, Buccaneer, Harrier, Jet Dragon, Nimrod, Trident) und British Aircraft (BAC One-Eleven, Concorde, Tornado).

1977 schlossen sich Hawker-Siddeley Aviation (Flugzeugbau), Hawker-Siddeley Dynamics (Lenkwaffen, Raumfahrtsparte), die British Aircraft Corporation und Scottish Aviation (Handley Page, Jetstream) zum Luft- und Raumfahrtkonzern British Aerospace (BAe) zusammen. Die restlichen Geschäftfelder der Hawker-Siddeley Group (Eisenbahn- und Signaltechnik, Industrieausrüstung, Fernmeldetechnik, Instandhaltung von Fahrwerken, Hydraulikkomponenten, Bremsen, Räder) und die Auslandstochtergsellschaften wurden in den nächsten Jahren an andere Unternehmen verkauft. Durch den Zusammenschluss befanden sich nun bis auf wenige Ausnahmen alle Flugzeugwerke Großbritanniens unter einem Dach.

BAE Systems
BAE Systems

1999 übernahm British Aerospace die G.E.C.-Tochter Marconi Electronic Systems (vormals GEC-Marconi), zu der der gesamte militärische Bereich des G.E.C.-Konzerns (The General Electric Co. Ltd.) gehörte – einschließlich der Werften von Yarrow Shipbuilders und Vickers Shipbuilding and Engineering. Anschließend benannte sich British Aerospace in BAE Systems um. Der verbliebene G.E.C.-Konzern, der sich nun nur noch mit Telekomausrüstungen beschäftigte, gab sich den Namen Marconi.

Aus dem zivilen Flugzeuggeschäft zog sich British Aerospace/BAE Systems nach und nach weitgehend zurück (1978 HS Trident, 1979 Concorde, 1981 BAC 1-11, 1993 BAe Geschäftsflugzeuge, 2003 BAe Avro Regionalverkehrsflugzeuge). Die drei Protoytpen der geplanten Avro RJX waren 2003 die letzten in Großbritannien gefertigten Verkehrsflugzeuge (im Avco-Werk in Woodford/Cheshire bei Manchester). 2006 verkaufte BAE Systems den 20-prozentigen Airbus-Anteil, den British Aerospace 1979 erworben hatte, baut aber in den Werken Hawarden/Broughton und Hatfield weiterhin die Tragwerke für die Airbus-Flugzeuge (wie zuvor der Airbus-Mitentwickler Hawker-Siddeley).

2004 erwarb BAE Systems die Wehrtechnikaktivitäten der Rolls-Royce-Group (Alvis-Vickers; Challenger-Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Minenräumgeräte), die 2002 aus dem Zusammenschluss von Alvis (Spezialfahrzeuge für die britische Armee) und Vickers Defence Systems (u.a. Kampfpanzer Challenger II) entstanden war. Alvis-Vickers wurde anschließend mit RO Defence (Royal Ordnance) zusammengeschlossen und in BAE Systems Land Systems umbenannt. Royal Ordnance, ein zuvor staatlicher britischer Waffen- und Munitionshersteller (Royal Ordnance Factories/ROF), war 1997 von British Aerospace übernommen worden. ROF hatte von 1983 bis 1986 in einer Fabrik in Barnbow/Leeds den Kampfpanzer Challenger I hergestellt; diese Sparte war aber 1986 an Vickers verkauft worden. Der Challenger II wurde von 1993 bis 2002 in den beiden Werken Elswick/Newcastle upon Tyne und Barnbow produziert.

Ab 2007 entwickelte BAE Systems ein unbemanntes Luftfahrzeug mit Tarnkappeneigenschaften (Taranis). Der Erstflug fand 2013 statt. Ein weiteres Projekt ist das Tarnkappenflugzeug Tempest, das gemeinsam mit Rolls-Royce (Antrieb) und Saab entwickelt wird, um mittelfristig einen Ersatz für den Eurofighter und die Saab JAS-39 Gripen zur Verfügung zu haben.

BAE Systems entwickelt und produziert u.a. Atom-U-Boote (Astute-Klasse, Swiftsure-Klasse, Trafalgar-Klasse, Vanguard-Klasse), Aufklärungs- und Kommunikationstechnologie, Flugabwehrraketen, Flugzeugteile (Tragwerke für Airbus), Flugzeugträger (Invincible-Klasse, Queen-Elizabeth-Klasse), Geschütze, lasergesteuerte Bomben, Lenkflugkörper, Luftverteidigungssysteme, Maschinengewehre, Militärfahrzeuge (Bradley), Militärflugzeuge (Eurofighter, Hawk, Taranis, Tempest), Panzer (Challenger II), Minenräumgeräte, Navigationssyteme, Radarsysteme, Raketensysteme, Sprengköpfe, Torpedos und Zerstörer (Daring-Klasse).

BAE Systems ist mit seinen Werften in Barrow-in-Furness (vorm. Vickers), Glasgow-Govan und Glasgow-Scotstoun (vorm. Yarrow) der weltgrößte Hersteller von Kriegsschiffen und U-Booten außerhalb der USA. Außerdem ist BAE Systems an den Jointventures MBDA Missile Systems, Eurofighter und Panavia Aircraft (Tornado) beteiligt.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain