Markenlexikon

Astor

Ursprungsland: Deutschland

Johann Jakob Astor (1763 – 1848) und seine drei älteren Brüder wuchsen in bescheidenen Verhältnissen in Walldorf/Baden auf. Daher verließen sie Deutschland schon bald, um ihr Glück im Ausland zu finden. Johann Jakob ging erst nach London, wo sein Bruder Georg Peter Astor bereits einen Musikalienhandel betrieb und absolvierte dort eine Lehre. 1784 schiffte er sich nach Nordamerika ein, wo er seinen Namen in John Jacob Astor änderte und einen eigenen transatlantischen Musikalienhandel aufbaute. Bald darauf beschäftigte er sich mit dem Pelzhandel, der ihn zu einem der reichsten Menschen der damaligen Zeit machte. Das Geld investierte er zum Teil in Land und Immobilien. Zwei Mitglieder der Astor-Familie eröffneten später in New York nebeneinander zwei Hotels (1893 William Waldorf Astor, Waldorf Hotel; 1897 John Jacob Astor IV; Astoria Hotel), aus denen das berühmte Waldorf-Astoria hervorging, das damals größte Hotel der Welt.

Unter der Leitung des Zigarrenhändlers Emil Molt (1876 – 1936) entstand 1906 in Hamburg und Stuttgart die Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik GmbH. Zu Molts Partnern gehörte die Hamburger Zigarrengroßhandlung M. Müller jr., die zuvor die deutschen Waldorf-Astoria-Rechte von der Waldorf-Astoria Cigar Company, der hoteleigenen Zigarrenhandelsfirma, erworben hatte. Die Geschäfte ließen sich gut an und die Firma wurde sogar zum königlich württembergischen Hoflieferanten ernannt. 1918 wandelte man das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um.

Emil Molt gehörte zusammen mit Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, zu den Initiatoren der Waldorf-Schulen. Die erste entstand 1919 in Stuttgart als Betriebsschule für die Kinder der Arbeiter der Zigarettenfabrik. Das Schulgebäude kaufte Molt mit privatem Geld, außerdem stattete er die Schule mit 100.000 Mark Anfangskapital aus. Das Schulgeld für die Arbeiterkinder zahlte die Zigarettenfabrik.

Von 1920 bis 1925 gehörte die Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik AG neben vielen anderen Unternehmen zum anthroposophischen Konzern Der Kommende Tag – Aktiengesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte (Stuttgart), der jedoch 1925 infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise aufgelöst werden musste. Ein Überbleibsel aus dieser Zeit ist die heute in der Schweiz ansässige Weleda AG, ein international tätiger Hersteller von Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln. Ab Mitte der 1920er Jahre ging es auch mit der Zigarettenfabrik stetig bergab. 1929 wurde die Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik AG schließlich von dem Kölner Konkurrenten Haus Neuerburg (Eckstein, Güldenring, Overstolz) übernommen, der wiederum 1935 in den Besitz der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH (Atika, Ernte 23, Gelbe Sorte, Juno, R6, Senoussi) überging.

Mit Ausbruch des 2. Weltkriegs wurden Zigaretten in Deutschland kontingentiert. Wegen der kriegsbedingt schlechten Qualität des Rohtabaks nahmen fast alle Hersteller ihren Markenzigaretten vom Markt. Ab 1943 gab es schließlich nur noch die namenlose deutsche Einheitszigarette.

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs musste sich Reemtsma von den Werken Köln (Haus Neuerburg) und Baden-Baden (ehemalige Batschari-Fabrik) trennen. Die Neuerburg-Familie führte diese beiden Standorte und die Marke Overstolz ab 1950 alleine weiter, bis die Firma Haus Neuerburg schließlich zwischen 1960 und 1963 von der R. J. Reynolds Tobacco Company (Camel, Reyno, Salem, Winston) übernommen wurde. Die Marke Astor mit dem Porträt Johann Jakob Astor im Logo blieb jedoch bei Reemtsma. Ab 1950 gab es sie im Westen Deutschlands wieder zu kaufen. Reemtsma gehört inzwischen zum britischen Konzern Imperial Brands/Imperial Tobacco (Benson & Hedges, Drum, Ducados, Embassy, Fortuna, Gauloises, Gitanes, John Player, John Player Special (JPS), Lambert & Butler, Nobel, Regal, Richmond, Rizla, Superkings, Van Nelle), die Marke Astor gibt es noch immer. Produziert wird sie neben vielen anderen Zigarettenmarken im Reemtsma-Werk Hannover-Langenhagen.

Neben der Zigarettenmarke gibt es auch noch die Kosmetikmarke Astor (vormals Margaret Astor), die heute zum Kosmetikkonzern Coty gehört. Auch diese Marke geht zumindest indirekt auf die Astor-Familie zurück. Wilhelm Boelcke, der damalige Chef des Zahncremeherstellers Blendax (Blend-A-Med), gründete 1952 eine Tochtergesellschaft zur Produktion und Vermarktung von dekorativer Kosmetik, die er Margaret Astor KG nannte. Astor war der Mädchennamen von Boelckes Schwiegermutter, die der Astor-Familie entstammte.

Text: Toralf Czartowski