Markenlexikon

AOL

Ursprungsland: USA

Die Anfänge von AOL gehen in eine Zeit zurück, als man Briefe noch per guter alter Post verschickte und die Kommunikation über das Telefon ausschließlich am Hörer stattfand. Zwar war das Modem – ein Gerät, das die digitalen Signale des Computers in Schwingungen umsetzt (MODuliert) und wieder zurückverwandelt (dEModuliert), sodass sie über das Telefonnetz verschickt werden können – bereits 1960 in den Bell Laboratories entwickelt worden, und Ende der 1960er Jahre wurden auch die ersten Großcomputer in Universitäten, Regierungsbehörden, Forschungs- und Verteidigungseinrichtungen miteinander vernetzt – daraus entstand später das Internet – aber selbst Mitte der 1970er Jahre, als die ersten Home-Computer auf den Markt kamen, war das für die meisten Durchschnitts-Computernutzer noch Zukunftsmusik. Lediglich größere Unternehmen leisteten sich den Luxus, ihre Computer über das Telefonnetz miteinander kommunizieren zu lassen.

Erst 1979 startete der deutschstämmige William von Meister (1942 – 1995) – sein Vater war ein Patenkind des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. – in McLean/Virginia den ersten kommerziellen Onlinedienst »The Source«. Nachdem er dort ausgeschieden war, gründete er 1982 die Control Video Corporation (CVC), die ab 1983 den Service »The GameLine« betrieb, das erste Netzwerk für Computerspiele. Mittels Modem konnten Atari-Besitzer rund eintausend Spiele für ihre Videospielkonsole Atari VCS über die Telefonleitung in ein spezielles Gameline Master Module herunterladen. Das Modul kostete 49,95 Dollar, die Gebühren betrugen 10 Cent für ein Spiel und einen Dollar für jede Stunde. Der Videospiel-Crash von 1983/1984 brachte das Unternehmen jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, sodass es schließlich auf Druck der Investoren von den Angestellten Stephen (Steve) Case (* 1958), James Kimsey (* 1939) und Marc Seriff (* 1948) übernommen wurde.

1985 benannten die neuen Besitzer CVC in Quantum Computer Services um. Quantum war ein Online-Dienst zur Datenübetragung via Modem, zunächst nur für Commodore C64-Computer, ab 1991 auch für IBM-kompatible Personal-Computer. 1989 führte man den AOL-Service ein (E-Mail, Spiele, Special-Interest Foren), nach dem sich 1991 das ganze Unternehmen benannte: American Online Inc. (ab 2006 AOL LLC). AOL legte von Anbeginn einen kometenhaften Aufstieg hin, da sich zu dieser Zeit immer mehr private Computernutzer und Unternehmen Zugang zum Internet verschaffen wollten, das bis dahin eher ein Tummelplatz für Forscher, Wissenschaftler und Techniker gewesen war, die über das Netz fachsimpelten, Forschungsergebnisse austauschten und sich gelegentlich die neuesten Witze erzählten. In seinen besten Zeiten als Internet-Provider hatte AOL über 30 Millionen Abonnenten. 1995 kam AOL auch nach Deutschland, zunächst als Jointventure mit Bertelsmann (2000 verkaufte Bertelsmann seinen Anteil an AOL).

1998 erwarb AOL den Online-Dienst-Bereich von CompuServe, die israelische Firma Mirabilis (ICQ-Messenger) und den Browser-Anbieter Netscape Communications (Netscape Navigator). Die Browers-Entwicklung wurde daraufhin unter dem Namen Firefox von der Mozilla Foundation weitergeführt. Das Mozilla-Projekt war 1998 von Netscape gegründet und 2003 als Non-Profit-Organisation von Netscape abgespalten worden. Die Weiterentwicklung des Netscape Navigators wurde 2007 eingestellt.

2001 schloss sich AOL mit dem Medienkonzern Time-Warner Inc. (CNN, HBO, Time Magazine, Turner Broadcasting, Warner Brothers Entertainment) zusammen. Bis Oktober 2003 hieß der Konzern AOL-Time-Warner Inc., dann strich man das Kürzel AOL wieder aus dem Firmennamen, da sich das Internet-Geschäft keineswegs so positiv weiterentwickelte, wie man erwartet hatte. AOL verdiente sein Geld bis dahin vor allem mit Einwählverbindungen. Breitbandverbindungen und Flatrates ließen die Einnahmen jedoch rapide schrumpfen. Den Schritt vom geschlossenen Service mit Zugangsgebühr zu einem offenen, werbefinanzierten Inhalteanbieter machte AOL erst 2006. Ein Jahr später verkaufte Time-Warner das DSL-Zugangsgeschäft von AOL Deutschland an den DSL-Anbieter HanseNet (Alice), damals eine Tochter von Telecom Italia.

Ende 2009 trennte sich Time-Warner ganz von AOL und brachte das Unternehmen mit Hauptsitz in New York City an die Börse. AOL konzentriert sich nun auf die Vermarktung von Werbung auf den verschiedenen Websites (u.a. AOL Music, AOL News, AOL Radio, AOL Shopping, AOL Televison, AOL Travel, AOL Weather, Autoblog, Games.com, KOL Kids Online, MapQuest, Moviefone, Winamp), die der Konzern nebem dem Hauptportal AOL.com in den vergangenen Jahren aufgebaut oder gekauft hat. Der Chatdienst ICQ verkaufte AOL 2010 an die russische Internetfirma Digital Sky Technologies (DST). Anfang 2011 erwarb AOL die erst 2005 gegründete Web-Zeitung Huffington Post.

2015 wurde AOL von dem US-Telekom-Konzern Verizon Communications übernommen. Zu dieser Zeit gab es noch rund 2,3 Millionen Alt-Kunden, die für ihren AOL-Internetzugang regelmäßig bezahlten und so für etwa ein Viertel des Umsatzes sorgten. 2017 erwarb Verizon mit Yahoo einen weiteren Internetpionier. Beide Unternehmen wurden daraufhin in der Verizon-Tochtergesellschaft Verizon Media Inc. mit Sitz in New York und Sunnyvale/California zusammengefasst. Der Versuch mit den Giganten Google und Facebook auf Augenhöhe zu konkurrieren schlug jedoch fehl. Schließlich verkaufte Verizon die Verizon Media Inc. mit den Marken AOL und Yahoo 2021 an die Private-Equity-Gesellschaft Apollo Global Management.

Text: Toralf Czartowski