Markenlexikon
Als in den 1950er und 1960er Jahren die Nachfrage nach Personenzügen in den USA durch die Motorisierung breiter Bevölkerungsschichten und die Zivilluftfahrt immer mehr nachließ, drängten die Eisenbahngesellschaften die US-Regierung dazu, sie von der Pflicht zur Personenbeförderung zu entbinden. Einige Unternehmen hatten die Verbindungen teilweise über zehn Jahre lang ohne Profit betrieben. Nachdem auch noch die U.S. Post den Brief- und Pakettransport per Eisenbahn eingestellt hatte, was zu weiteren Einnahmenverlusten führte, musste die Regierung handeln, um die Eisenbahngesellschaften nicht in den Konkurs zu treiben. Die Penn Central Company, die führende Eisenbahngesellschaft im Nordosten der USA, war bereits im Juni 1970 in Konkurs gegangen.
Nach jahrelangem Streit zwischen Demokraten und Republikanern um Subventionen und eine Verstaatlichung der Eisenbahnindustrie verabschiedete die Nixon-Regierung im Oktober 1970 schließlich ein neues Gesetz (Rail Passenger Service Act), das die Eisenbahngesellschaften von der Pflicht zum Personenverkehr entband; sie konnten sich nun auf den profitableren Gütertransport konzentrieren. Da die Politiker jedoch eine vollständige Einstellung des Passagierverkehrs aus wahltaktischen Gründen nicht verantworten wollten, wurde Anfang 1971 die National Rail Passenger Corporation mit Sitz in Washinton/D.C. gegründet. Dieses staatliche Unternehmen, das unter dem Markennamen Amtrak (AMerica + TRAcK) auftritt, übernahm die Lokomotiven und Waggons der privaten Eisenbahngesellschaften und führte die wichtigsten Passagierzugverbindungen fort; mehr als die Hälfte wurde jedoch eingestellt. Einige private Gesellschaften betrieben auch weiterhin Personenzüge auf eigene Rechnung. Da Amtrak kein Streckennetz besaß, mussten die Streckennutzungsrechte gekauft werden; erst ab 1976 erwarb Amtrak einige Strecken von bankrotten Unternehmen oder Strecken, die die Frachtzugunternehmen stillgelegt hatten. Der insgeheime Wunsch der Politiker, dass sich Amtrak innerhalb weniger Jahre durch weiter zurückgehende Passagierzahlen selbst auflösen würde, erfüllte sich nicht. Vor allem konservativen Regierungen und Politikern war und ist die fortwährende Subventionierung von Amtrak durch die Bundesregierung und einzelne Bundesstaaten zwar ein Dorn im Auge, die politische Mehrheit und die Öffentlichkeit steht jedoch hinter dem Amtrak-Konzept, was auch an politischen und wirtschaftlichen Ereignissen liegt (Ölkrisen, Streiks von Flugpersonal, Terroranschläge vom 11. September 2001), die die Züge sicherer erscheinen ließen und zumindest zeitweise billiger.
Die wichtigsten Amtrak-Strecken befinden sich im Nordosten des Landes (Boston, New York, Philadelphia, Washington, Newport News, Philadelphia, Harrisburg, Baltimore, Buffalo, Toronto, Montréal), außerdem im Mittelwesten (Chicago, Detroit, Milwaukee, St. Louis, Kansas City, Burlington), in Kalifornien (San Diego, Los Angeles, San Francisco, Sacramento) und im Nordwesten (Seattle, Portland). Daneben betreibt Amtrak mehrere langlaufende Fernzüge, u.a. auf den Strecken Chicago – Denver – Emeryville/California (»California Zephyr«), Chicago – Memphis – New Orleans (»City of New Orleans«), New York – Tampa/Miami (»Silver Service/Palmetto«), New York – Charlotte/North Carolina (»Carolinian/Piedmont«), Chicago – San Antonio/Texas (»Texas Eagle«), New York – Atlanta – New Orleans (»Crescent«), Chicago – St. Paul/Minnesota – Portland/Seattle (»Empire Builder«), Seattle – Portland – Los Angeles (»Coast Starlight«) und Los Angeles – Houston – New Orleans – Orlando/Florida (»Sunset Limited«).
Die meisten Gleisstrecken, auf denen die Amtrak-Züge verkehren, gehören weiterhin privaten Frachtzugunternehmen (u.a. BNSF Railway, CSX Transportation, Union Pacific Railroad, Norfolk Southern Railway, Metro North Railroad, CN Railway), die auch für die Instandhaltung zuständig sind. Lediglich zwischen Boston und Washington sowie in Michigan besitzt Amtrak eigene Strecken.
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain