Markenlexikon
Der Ungarn geborene Nicholas Kove (eigtl. Miklós Klein; 1891 – 1958) war Kavallerieoffizier in der österreichisch-ungarischen Armee, geriet aber in russische Kriegsgefangenschaft. Aus Sibirien gelang ihm die Flucht zurück nach Ungarn. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde er kurzzeitig Minister in der kommunistischen Regierung von Béla Kun. 1922 ging er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter nach Algier. 1934 ließen sie sich in Barcelona nieder, wo Kove eine Kunststofffabrik gründete. Doch als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, waren sie erneut gezwungen, in ein anderes Land zu emigrieren, diesmal nach Italien. 1938 zog die Familie endgültig von Mailand nach London. Dort gründete Kove ein Jahr später die Firma Airfix Industries Ltd., die zunächst aufblasbare Gummispielzeuge herstellte. Daneben produzierte die Firma auch andere Produkte wie Plastikkämme oder gestanzte Gürtelschnallen aus Metall.
1949 bekam die Firma von dem britischen Traktorhersteller Ferguson den Auftrag, ein Werbemodell des Traktors TE20 herzustellen. Die Einzelteile wurden mit Hilfe einer Spritzgussmaschine aus Zelluloseacetat-Kunststoff gegossen, anschließend von Hand zusammengebaut und dann an die Vertreter ausgeliefert. Airfix erhielt von Ferguson auch die Genehmigung das Modell unter dem eigenen Namen zu verkaufen. Um das zeitaufwendige Zusammenbauen zu umgehen und dadurch den Preis niedrig zu halten, wurde der Traktor als Bausatz zum Selberbauen verkauft. Airfix war in Großbritannien der erste Hersteller von Modellbausätzen aus Kunststoff, was dazu führte, dass der Name Airfix dort bis heute synonym für solche Bausätze verwendet wird.
Die Modelle von Airfix verkauften sich sehr gut, was auch daran lag, dass sie bei der großen Kaufhauskette Woolworth gelistet waren. Bald kamen weitere Modellbausätze von Fahrzeugen, Motorrädern, Schiffen, Lokomotiven, Flugzeugen, Raketen, Raumschiffen und Militärfahrzeugen in verschiedenen Maßstäben hinzu. Außerdem fertigte Airfix auch Modelleisenbahnen, Autorennbahnen, Spiele, Puppen, Plastikfiguren und Fertigmodelle, die nicht mehr zusammengebaut werden mussten.
Durch die Übernahme der Spielzeugfirmen Meccano und Dinky Toys stieg Airfix Industries 1971 zum größten britischen Spielwarenhersteller auf. Anfang der 1980er Jahre kam das Unternehmen jedoch in immer stärkere finanzielle Schwierigkeiten. Dafür gab es mehrere Gründe. In dieser Zeit eroberten elektronische Spielzeuge wie Videospielkonsolen die Kinderzimmer, der Pillenknick wurde erstmals bemerkbar und der hohe Wert des britischen Pfunds verteuerte die Produkte auf den Exportmärkten. 1981 musste Airfix Industries schließlich Konkurs anmelden.
Das Unternehmen wurde anschließend von dem US-Nahrungsmittelkonzern General Mills übernommen, dem bereits mehrere Spielzeugfirmen gehörten (Kenner, MPC, Parker Brothers/Monopoly, Play-Doh). General Mills verlagerte die Produktion daraufhin in die Miro-Meccano-Fabrik nach Calais (Frankreich). 1986 verkaufte General Mills Airfix an die Hobby Products Group (Heller, Humbrol), die zum US-Nahrungsmittelkonzern Borden Inc. gehörte. Die Produktion wurde anschließend in Trun, dem Firmensitz von Heller, konzentriert, da dieses Werk nicht ausgelastet war. Als Borden 1995 von der Private-Equity-Firma Kohlberg Kravis Roberts (KKR) zerschlagen wurde, ging die Humbrol Ltd., wie die Firma inzwischen hieß, an die irische Investmentfirma Allen & McGuire. 2006 musste auch Humbrol Insolvenz anmelden. Neuer Eigentümer wurde daraufhin der britische Spielwarenhersteller Hornby Hobbies, der die Produktion der Airfix-Bausätze nach Indien verlagerte.
Text: Toralf Czartowski