Markenlexikon
Den Ingenieur Emil Moritz Rathenau (1838 – 1915) erwarb 1881 von dem amerikanischen Erfinder Thomas Edison die deutschen Patentrechte für die elektrische Glühbirne. 1883 gründete er mit finanzieller Hilfe mehrerer Banken und Privatpersonen in Berlin die Deutsche Edison Gesellschaft für angewandte Elektricität (DEG). 1884 rief die DEG die Städtischen Elektricitäts-Werke Berlin, die späteren Berliner Elektricitäts-Werke (BEW), ins Leben und nahm die erste Glühlampenfabrik in Betrieb. 1887 änderte das Unternehmen seinen Namen in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG). Wie auch die Berliner Siemens-Werke prägten die AEG-Werke, die in der Folgezeit in und um Berlin entstanden, den Ruf der Stadt als »Elektropolis«. Daneben wurden später auch in anderen deutschen Städten AEG-Werke errichtet oder bereits bestehende übernommen.
In den nächsten Jahrzehnten stieg AEG neben Siemens zum größten deutschen Elektrokonzern auf, der fast alles herstellte, was zur Erzeugung, Verteilung und Anwendung des elektrischen Stroms benötigt wird: elektrische Haushaltsgeräte, Elektrolokomotiven, Elektromotoren, Elektrowerkzeuge, Filmprojektoren, Gleichstromkraftwerke, Starkstromkabel, Straßenbahnen, Röntgenröhren und Turbinen. Die AEG und ihre Tochtergesellschaften produzierten zeitweise aber auch ganz artfremde Produkte wie Automobile (1901 – 1935), Lastwagen/Busse (1903 – 1932), Schreibmaschinen und Bürogeräte (ab 1903) sowie Flugzeuge (1910 bis 1918). Daneben war der Konzern an der Gründung mehrerer Fluggesellschaften beteiligt, aus denen 1926 die Deutsche Lufthansa hervorging.
Die Aktivitäten im Bereich der Glühlampen schloss die AEG 1919 mit denen von Siemens und der Deutschen Gasglühlicht Aktiengesellschaft (Osram) zusammen. Um der damals übermächtigen englischen Marconi Company auf dem Gebiet der drahtlosen Telegrafie ein ebenbürtiges Unternehmen entgegenzusetzen, gründeten AEG und Siemens auf Befehl des deutschen Kaisers Wilhelm II. 1903 in Berlin das Unternehmen Telefunken, das 1967 ganz in die AEG eingegliedert wurde.
In den 1960er und 1970er Jahren erwarb AEG-Telefunken zahlreiche Hausgerätehersteller (1964 Küppersbusch, 1967 Linde Hausgeräte, 1968 Neff, 1969 Alno, 1971 Zanker, 1972 Brown Boveri/BBC Hausgeräte, 1973 Zanussi), die sich jedoch später teilweise als Fehlinvestitionen erwiesen. Auch der kostenintensive Bau von Kernkraftwerken (ab 1958) belastete den Konzern stark. Um den hohen technischen und finanziellen Aufwand zu begrenzen, gründeten AEG-Telefunken und Siemens 1969 die Kraftwerk Union (1977 Verkauf an Siemens) und die Transformatoren Union (1978/1987 Verkauf an Siemens). Anfang der 1980er Jahre wurde die finanzielle Lage akut (1972 hatte der Konzern letztmalig eine Dividende gezahlt). Das Unternehmen saß auf einem Schuldenberg von fast fünf Milliarden Mark. Notverkäufe (Alno, AEG-Telefunken Nachrichtentechnik, Neff, Teldec Schallplatten, Teldix) spülten zwar Geld in die leeren Kassen, die Zinslast und der weltweite Konjunktureinbruch machten jedoch alle Versuche einer Sanierung zunichte. 1982 musste der zweitgrößte deutsche Elektrokonzern Vergleich anmelden.
Nachdem die Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet hatten, schrieb AEG-Telefunken 1983 wieder schwarze Zahlen. 1984 konnte der Vergleich aufgehoben werden. 1985 wurde die Firmenbezeichnung von AEG-Telefunken in AEG geändert, nachdem die Telefunken Fernseh-/Rundfunksparte in Hannover zuvor an den französischen Thomson-Brandt-Konzern verkauft worden war.
Zwischen 1985 und 1988 übernahm der Automobilkonzern Daimler-Benz nach und nach die Mehrheit der AEG, pickte sich die Rosinen heraus (Schienenfahrzeuge, Schiffbau-/Sondertechnik, Systemtechnik) und betrieb ansonsten einen systematischen Ausverkauf des einstigen Elektroriesen. Alle nicht brauchbaren Unternehmensteile wurden verkauft oder geschlossen (Automatisierungstechnik, Bürogeräte, Elektrowerkzeuge, Hausgeräte, Haustechnik, Kabel, Lichttechnik, Mobilkommunikation, Sendertechnik, Software, Telekommunikation, Turbinen).
1996 löste Daimler-Benz die AEG Aktiengesellschaft ganz auf. Die Rechtsnachfolge trat die Daimler-Benz-Tochtergesellschaft EHG Elektroholding an. Die ehemalige Zentrale in Frankfurt am Main, wo der Konzern seit 1950 seinen Hauptsitz hatte, wurde 1999 gesprengt. 2004 verkaufte EHG die globalen AEG-Markenrechte an den schwedischen Electrolux-Konzern, der 1994 die AEG-Hausgeräte-Abteilung erworben hatte. Die Marke AEG wird heute von zahlreichen Firmen für unterschiedliche Produkte in Lizenz genutzt.
Text: Toralf Czartowski