Markenlexikon

Tengelmann

Ursprungsland: Deutschland

Der Kaufmann Wilhelm Schmitz (1831 – 1887) gründete 1867 gemeinsam mit seiner Frau Louise Scholl in Mühlheim an der Ruhr die Firma Wilhelm Schmitz-Scholl (Wissoll), die sich zunächst mit dem Import und der Veredelung von Kolonialwaren wie Kaffee und Kakao beschäftigte. Um den Kunden eine stets gleichbleibende Qualität anbieten zu können, nahm die Firma bald darauf eigene Produktionsanlagen in Betrieb: 1882 eine Kaffeerösterei, 1906 eine Süßwarenfabrik und 1912 die Schokoladenfabik Wissoll.

1893 eröffneten die Söhne des Gründers unter dem Namen ihres Prokuristen Emil Tengelmann in Düsseldorf das erste Einzelhandelsgeschäft. 1953 entstand in München der erste Selbstbedienungsladen, 1967 der erste Grosso-Markt, 1971 erwarb Tengelmann die Kaiser's Kaffee Geschäft AG (1880 von Josef Kaiser in Viersen gegründet) und 1972 wurde die Discount-Kette Plus (Prima Leben Und Sparen) gegründet.

Nach dem Tod seines Onkels Karl Schmitz-Scholl 1969 wurde Erivan Karl Matthias Haub (1932 – 2018) neuer Geschäftsführer der Tengelmann-Gruppe; unter seiner Führung stieg das Unternehmen zu einem internationalen Handelskonzern auf. Mit der Übernahme der 1859 gegründeten Supermarkt-Kette The Great Atlantic & Pacific Tea Company (A&P) expandierte Tengelmann 1979 in die USA. 1985 erwarb Tengelmann die Baumarktkette Obi. Mit der Übernahme von Modea stieg Tengelmann 1990 in das Textilhandelsgeschäft ein. 1994 etablierte das Unternehmen gemeinsam mit Stefan Heinig den Textil-Discounter KiK (= Kunde ist König), der 2003 mit TEDi (Top Euro Discount) noch einen weiteren Ableger hervorbrachte. Seit 1996 ist Tengemann mit seinen Supermärkten nur noch in Süddeutschland (Oberbayern) vertreten, während sich Kaiser's auf den Norden Deutschlands (Nordrhein, Berlin und Umland) konzentriert. 2001 schlossen sich die Emil Tengelmann GmbH und die Kaiser's Kaffee Geschäft AG zur Kaiser's Tengelmann AG (ab 2010 GmbH) zusammen.

Die Takko-Modemärkte, an denen Tengelmann seit 1990 mehrheitlich beteiligt war, wurden 1999 an zwei Investmentgesellschaften und das Management verkauft, die Grosso- und Magnet-Großmärkte gingen 2000 an ein Konsortium aus Lidl & Schwarz, Bartels-Langness und die Dohle Gruppe. Die Wissoli Schokoladenproduktion übernahm 2003 der Süßwarenhersteller Van Netten GmbH und die KD-Drogeriekette (Kaiser's Drugstores) gehört seit 2005 zu Rossmann. Die Plus Warenhandels GmbH wurde 2009 mit der Edeka-Tochter Netto Marken-Discount zusammengelegt. Die US-amerikanische Tengelmann-Supermarkt-Tochter A&P mit 395 Filialen im Nordosten der USA durchlief von Dezember 2010 bis März 2012 ein Planinsolvenzverfahren nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts, wodurch A&P neue Eigentümer bekam.

Da die Tengelmann- und Kaiser's-Läden seit über 15 Jahren keinen Gewinn mehr erwirtschafteten, begann Tengelmann 2016 damit, die rund 550 Filialen im Großraum Berlin, Nordrhein-Westfalen und im Großraum München/Oberbayern an Rewe und Edeka zu verkaufen.

Zur Tengelmann-Gruppe (Tengelmann Warenhandelsgesellschaft KG, Mülheim an der Ruhr) gehören heute u.a. der Textil-Discounter KiK, die OBI Bau- und Heimwerkermärkte sowie die Geschäftsfelder E-Commerce (Tengelmann E-Commerce, Tengelmann Ventures, Tengelmann Social Ventures, Baby-Markt.de), Energie (Tengelmann Energie), Sicherheit (Tengelmann Sicherheit und Service), Prüfungs- und Beratungsleistungen (Revisionsgesellschaft Tengelmann Audit, TASCO), Versicherungsmakler (Tengelmann Assekuranz Vermittlungs-GmbH), Immobilien (TREI Real Estate, Subrenta Immobilienverwaltungsgesellschaft) und Start-up-Investments (Emil Capital Partners), außerdem Beteiligungen an Netto Marken-Discount (15 Prozent) und TEDi (30 Prozent). Die Tengelmann Ventures GmbH ist an zahlreichen E-Commerce- und Social-Commerce-Firmen beteiligt (u.a. Zalando, Brands4Friends, Delivery Hero, Stylight).

Im April 2018 verschwand der erfahrene Skibergsteiger Karl-Erivan Haub, der Sohn von Erivan Haub, während eines Skibergsteigrennens in den Schweizer Alpen spurlos. Seitdem halten sich Gerüchte, der Unternehmer mit deutschem, amerikanischen und russischem Pass könnte sein vermeintliches Ableben inszeniert haben. Es ist von einer langjährigen russischen Geliebten aus St. Petersburg mit Geheimdienstkontakten die Rede, von Geldsummen in Millionenhöhe, die zwischen 2010 und 2015 aus Tengelmann-Kassen nach Russland verschwunden sein sollen, und von dubiösen russischen Geschäftspartnern. Die Tengelmann-Gruppe wird inzwischen von Christian Haub, dem Bruder des Verschollenen, geleitet.

Text: Toralf Czartowski

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