Markenlexikon

Pirelli

Ursprungsland: Italien

Giovanni Battista Pirelli (1848 – 1932) kämpfte nach seinem Mathematik-Studium zunächst mit den »Rothemden« Giuseppe Garibaldis für die Unabhängigkeit Italiens. Nach der Proklamation des Königreichs Italien 1861 zog er in den Senat des neuen Nationalstaats ein. 1870 unternahm Pirelli Reisen in die Schweiz und nach Deutschland, wo er sich mit den Produktionstechniken der dortigen Gummihersteller vertraut machte. 1872 gründete er in Mailand seine eigene Gummischlauchfabrik. Die Firma produzierte zunächst Treibriemen und Schläuche. In den folgenden Jahren wurde die Produktpalette um Sportartikel, Kurzwaren, Sanitärartikel und Regenbekleidung (1877), Kabel und Elektroinstallationsmaterial (1879), elastische Garne (1882), Kutschenreifen (1885), Fahrradreifen (1890), Auto- und Motorradreifen (1899) sowie Flugzeugreifen (1915) erweitert.

1964 veröffentlichte die britische Pirelli-Tochtergesellschaft erstmals den inzwischen berühmten Pirelli-Kalender, in dem internationale Starfotografen aufregende Models erotisch in Szene setzen. Und weil Pirelli jedes Jahr im November nur einige tausend Exemplare drucken lässt, die an gute Kunden und Geschäftspartner verteilt werden, hat dieser Kalender inzwischen Kultstatus erreicht.

1971 kam es zur Fusion mit dem britischen Reifenhersteller Dunlop zur Dunlop-Pirelli-Union, die jedoch 1981 wieder aufgelöst wurde. 1986 erwarb Pirelli die Reifenaktivitäten der deutschen Gummifirma Metzeler. Zwei Jahre später kam es zur Übernahme der US-amerikanischen Armstrong Tire Corporation. Der Bereich Landwirtschaftsreifen wurde 1991 in ein Jointventure mit dem schwedischen Unternehmen Trelleborg eingebracht; 2001 erwarb Trelleborg diese Sparte vollständig.

1993 schlug ein feindlicher Übernahmeversuch des deutschen Konkurrenten Continental fehl, nachdem deutsche Unternehmen (Allianz, BMW, Daimler-Benz, Deutsche Bank, NordLB, VW) dem Reifenhersteller zu Hilfe gekommen waren und eine Sperrminorität von 25 Prozent erworben hatten. Am Zustandekommen der Bietergemeinschaft war auch der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder beteiligt.

2005 verkaufte Pirelli seine Kabel-Sparte (Energie- und Telekommunikationskabel) an die US-Investmentbank Goldman Sachs, die diesen Bereich anschließend als eigenständige Firma mit dem Namen Prysmian Cables and Systems weiterführte. Von dem Verkauf ausgenommen blieb der Bereich Pirelli Broadband. Die 1992 entstandene Immobilentochter Pirelli Re (Pirelli Real Estate) wurde 2010 ebenfalls verkauft und in Prelios umbenannt.

2014 beteiligte sich der russische Ölkonzern Rosneft mit 50 Prozent an der Holdinggesellschaft Camfin, der rund 20 Prozent der Pirelli-Aktien gehörten (über 46 Prozent der Pirelli-Aktien befanden sich in der Hand von institutionellen Anlegern). Die verbleibenden 50 Prozent von Camfin teilten sich die italienischen Banken UniCredit und Intesa Sanpaolo sowie die Investmentfirma Nuove Partecipazioni des Pirelli-Verwaltungsratsvorsitzenden Marco Tronchetti Provera.

Im Laufe des Jahres 2015 erwarb der chinesische Staatskonzern China National Chemical Corporation (ChemChina) die Mehrheit von Pirelli (87 Prozent). Anschließend wurde das Unternehmen von der Mailänder Börse genommen. Der erst 2004 gegründete Chemiekonzern ChemChina (u.a. Agrochemie, Elastomere, Petrochemie, Reifen, Spezialchemie) erwarb 2016 auch den Schweizer Agrochemie-Konzern Syngenta und das deutsche Maschinenbauunternehmen Krauss-Maffei, einen Hersteller von Maschinen und Anlagen für die Kunststoff- und Kautschukindustrie.

In den Jahren 1950 bis 1958, 1981 bis 1986, 1989 bis 1991 und seit 2011 war/ist Pirelli offizieller Reifenlieferant der Formel-1-Weltmeisterschaft.

Text: Toralf Czartowski