Markenlexikon

Marconi

Ursprungsland: Großbritannien

Dem italienischen Physiker und Ingenieur Guglielmo Marchese Marconi (1874 – 1937) gelang 1894 erstmals die Funkübertragung von Radiowellen. Da seine Experimente in Italien wenig Unterstützung fanden, zog er 1896 nach Großbritannien um, wo seine Arbeiten staatlich subventioniert wurden. 1897 gründete er in London The Wireless Telegraph and Signal Company, die 1900 in Marconi's Wireless Telegraph Company umbenannt wurde. Mit spektakulären Demonstrationsveranstaltungen – 1899 sendete er Morsezeichen über den Ärmelkanal und im Dezember 1901 stellte er eine Verbindung nach Neufundland her – gewann er das Interesse der Handelsschiffahrt und vor allem der Marine, die die Möglichkeiten der neuen Technik schnell erkannten. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs rüstete die Marconi Company die meisten britischen Schiffe mit Funk aus und konnte sich so ein Monopol aufbauen. Eine ähnlich dominierende Stellung in diesem Bereich hatte nur noch die deutsche Telefunken-Gesellschaft. 1909 wurden Guglielmo Marconi und der deutsche Physiker Karl Ferdinand Braun (Mitbegründer der Telefunken) für ihre Verdienste um die Entwicklung der drahtlosen Telegraphie mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

In den 1920er und 1930er Jahren engagierte sich der Konzern auch kurzzeitig in der Rundfunk- und Fernsehindustrie (Übertragungstechnik) und stellte Radiogeräte her, verlor aber an diesen Geschäftsfeldern schnell wieder das Interesse. 1922 gehörte Marconi zu den Gründungsgesellschaftern der British Broadcasting Company (BBC), die jedoch 1927 in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt wurde. 1929 verkaufte Marconi die Produktion der Radiogeräte, die man 1920 aufgenommen hatte, an die Grammophon Company, den späteren Elektronik- und Musikkonzern EMI. EMI verwendete die Marke Marconi als Firmenname seiner französischen Tochtergesellschaft Pathé-Marconi noch bis 1996. Von 1931 bis 1935 entwickelte eine EMI-/Marconi-Forschungsgruppe ein vollelektronisches Fernsehsystem, das ab 1936 bei der BBC zur Anwendung kam. 1934 schloss Marconi den TV-Bereich mit dem von EMI zusammen (Marconi-EMI Television).

1946 übernahm die English Electric Company, ein Hersteller von Wasser- und Dampfturbinen, Transformatoren, Dieselmotoren, Elektro- und Diesel-Lokomotiven, Straßenbahnen, Schiffen, Walzwerken und Kampfflugzeugen (Canberra, Lightning), die meisten Marconi-Gesellschaften. Ab 1963 firmierte Marconi's Wireless Telegraph Company als The Marconi Company. 1967 erwarb English Electric die Computer- und Avionikfirma Elliott Automation, die später unter Namen wie Marconi-Elliott Avionics Systems (1969), Marconi Avionics (1978), GEC Avionics (1984), GEC-Ferranti (1990), Marconi Electronic Systems/Marconi Avionics (1998) und BAE Systems Avionics (1999) auftrat. Andere Elliott-Sparten firmierten u.a. als Marconi-Elliott Computer Systems (ab 1969) und GEC Computers (ab 1972).

1968 wurde English Electric vom britischen G.E.C.-Konzern (The General Electric Co. Ltd.) übernommen. Durch eine ganze Reihe von Übernahmen (1961 Radio and Allied Industries, 1967 Associated Electrical Industries, 1968 English Electric/Marconi, 1974 Yarrow Shipbuilders, 1979 Avery, 1981 Picker International, 1990 Teile von Ferranti, 1995 Vickers Shipbuilding and Engineering, 1998 Tracor) wuchs G.E.C. zu einem der größten europäischen Elektronik- und Verteidigungskonzerne heran (Flugzeug- und Schiffselektronik, Kraftwerksturbinen, Schiffe, Atom-U-Boote, Torpedos, TGV-Hochgeschwindigkeitszüge, elektrische Hausgeräte, Computer, medizinische Ausrüstungen, Klimaanlagen, Aufzüge). 1987 wurde The Marconi Company in GEC-Marconi umbenannt und 1998 in Marconi Electronic Systems (MES).

1999 übernahm der Luft-und Raumfahrtkonzern British Aerospace Marconi Electronic Systems und damit den gesamten militärischen Bereich von G.E.C. (einschließlich der Werften und der Avionik-Sparte). British Aerospace benannte sich anschließend in BAE Systems um. Gleichzeitig gab sich der verbliebene G.E.C.-Konzern, der sich nun nur noch mit Telekomausrüstungen beschäftigte, den Namen Marconi. Nach einem fulminanten Start geriet Marconi jedoch bereits 2001 in eine schwere Krise, die zu einem massiven Personalabbau führte. Das Unternehmen erwirtschaftete den größte Verlust, den ein britisches Unternehmen je eingefahren hatte (9,1 Milliarden Euro). Im Juli 2001 wurde der Handel der Marconi-Aktie ausgesetzt. Anschließend unterzog sich der Konzern umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen. Bei der Auftragsvergabe für die Modernisierung des BT-Telefonnetzes (British Telecommunications) ging Marconi im April 2005 jedoch leer aus, was zu erneuten Kurseinbrüchen führte.

Ende 2005/Anfang 2006 verkaufte Marconi seine wesentlichen Geschäftsfelder (Netzwerk-Infrastruktur, Dienstleistungen für Netzwerke) sowie Markennamen und Patente an den schwedischen Telekomausrüster Ericsson. Der verbliebene Teil von Marconi (Service Provider für Telekommunikations- und Enterprise-Kunden) firmierte anschließend als Telent.

Die im militärischen Bereich tätigen Jointventures Alenia-Marconi Systems (1998 – 2005; GEC-Marconi/BAE Systems + Finmeccanica), Matra-Marconi Space (1990 – 2000; Lagardère/Matra Espace + GEC/Marconi Space Systems), Thomson-Marconi Sonar (1995 – 2001; Thomson-CSF + GEC) gehören heute zu Airbus (vormals EADS), BAE Systems, Leonardo (vormals Finmeccanica/Alenia) und Thales (vormals Thomson-CSF). Der Markenname Marconi wurde von Ericsson noch eine Weile für Netzwerk-Geräte wie Multiplexer verwendet.

Text: Toralf Czartowski