Markenlexikon

Lancia

Ursprungsland: Italien

Vincenzo Lancia (1881 – 1937) war zunächst Buchhalter bei dem Turiner Fahrrad- und Autohersteller Ceirano, aus dem 1899 Fiat hervorging. Als Basis für die Società Anonima Fabbrica Italiana Automobili Torino (Fiat) dienten die Produktionsanlagen, das Personal und die Konstruktionspläne von Ceirano; der erste Fiat war im Prinzip ein Ceirano. Lancia, der sich lieber um Motoren kümmerte als um Zahlen wurde bei Fiat Test- und Rennfahrer. In der Folgezeit gewann er zahlreiche Rennen mit Fiat-Fahrzeugen und verhalf dem jungen Unternehmen damit zu internationalem Ruhm.

1906 tat er sich mit dem Fiat-Angestellten Claudio Fogolin zusammen und gründete in Turin eine eigene Firma. Der erste Lancia, der Tipo 51, kam 1907 heraus. 1911 entstand der erste Lancia-Lastwagen und obwohl es nicht so bekannt ist, blieb die Nutzfahrzeugproduktion bis 1975, als Fiat (Fiat, Lancia, O.M., Unic) und Klöckner-Humboldt-Deutz (Magirus-Deutz) die Industrial Vehicles Corporation (Iveco) gründeten, eines der Hauptstandbeine des Unternehmens.

Der Lancia Theta (1913 – 1919) hatte als erstes europäisches Auto eine elektrische Anlage mit Anlasser und beleuchtete Instrumenten. Mit dem Lambda (1921 – 1931) revolutionierte Lancia die Automobilindustrie; es war das erste Auto mit einer selbsttragenden Karosserie – inspiriert von einem Schiffsrumpf. Weitere Vorkriegsmodelle waren u.a. der Aprilia (1937 – 1949) und der Ardea (1939 – 1953). 1950 kam die von Pininfarina gestylte Fließhecklimousine Aurelia auf den Markt, die sich ebenfalls zum Trendsetter entwickelte. Der Aurelia wurde 1957 vom Lancia Flaminia (1957 – 1970) abgelöst. Dessen von Pininfarina gestylte Trapez-Karosserie inspirierte Autodesigner auf der ganzen Welt zu ähnlichen Formen.

Lancia baute lange Zeit vor allem technisch aufwendige und teure Oberklasse-Limousinen sowie davon abgeleitete Coupés und Cabrios. Doch gerade nach dem Ende des 2. Weltkriegs erwies sich das als Problem. Denn nun waren sparsame Kleinwagen gefragt, die Lancia nicht im Programm hatte. Das Unternehmen kam deswegen bald in finanzielle Schwierigkeiten, zumal auch das Nutzfahrzeuggeschäft nicht gut lief und die Motorsport-Aktivitäten viel Geld verschlangen.

1955 verkaufte der Gründersohn Gianni Lancia das Unternehmen schließlich an den Zementfabrikanten Carlo Pesenti (Italcementi). Im gleichen Jahr zog sich Lancia auch aus dem Motorsport zurück, nachdem der Werksfahrer Alberto Ascari bei Testfahrten tödlich verunglückt war. Die Lancia-Rennwagen übernahm daraufhin Ferrari. 1969 wurde der Fiat-Konzern neuer Eigentümer von Lancia, nachdem Verhandlungen mit BMW an unterschiedlichen Preisvorstellung gescheitert waren. Zeitweise hielt auch der Vatikan eine größere Beteiligung an dem Unternehmen.

Lancia
Lancia

Mit dem Mittelklassewagen Beta führte Lancia 1972 wieder die alte Modell-Nomenklatur mit dem griechischen Alphabet ein; zuvor waren historische römische Straßen für die Modelle verwendet worden (u.a. Via Appia, Via Aurelia, Via Flaminia, Via Flavia). In den 1970er und 1980er Jahren hatte Lancia wie auch andere italienische Autohersteller mit gravierenden Qualitätsmängeln zu kämpfen, vor allem was den Rost betraf. Einer der Gründe war der sehr rostanfällige Recyclingstahl (wegen des hohen Kupferanteils), mit dem die Sowjetunion das von Fiat in Togliatti an der Wolga gebaute Lada-Autowerk, das den Fiat 124 ab 1971 in Lizenz fertigte, bezahlte.

Einer der schönsten Lancias, der Stratos, kam 1972 heraus. Dieses von Bertone gestylte Auto gewann dreimal die Rallye-Weltmeisterschaft (1974, 1975, 1976). Die Rennversion wurde von dem ehemaligen Aeronautiker Gian Paolo Dallara gebaut, der auch an der Entwicklung des Lamborghini Miura und des De Tomaso Pantera beteiligt gewesen war. Aufgrund der Energiekrise Ende der 1970er Jahre musste die Produktion jedoch 1978 eingestellt werden. Insgesamt sollen nur rund fünfhundert dieser wunderschönen Autos gebaut worden sein. Noch erfolgreicher war der Lancia Delta (1979 – 1986), der die Rallye-WM sogar siebenmal gewann. Das Kompaktmodell Delta blieb mit einigen Unterbrechungen und drei Modellgenerationen bis 2014 in Produktion.

Recht gut verkauften sich auch der Prisma (1982 – 1989), die Stufenheckversion des Delta, dessen Nachfolger Dedra (1989 – 2000), das gemeinsam mit Fiat, Alfa-Romeo und Saab entwickelte Mittelklassemodell Thema (1984 – 1994) sowie der außergewöhnlich gestylte Kleinwagen Lancia Y (1995 – 2003), der Nachfolger des Autobianchi Y10 (1985 – 1995), für dessen Produktion Lancia ebenfalls verantwortlich war (Fiat hatte seine Tochtergesellschaften Autobianchi und Lancia 1975 organisatorisch zusammengefasst). Nachdem Fiat 1986 den Staatskonzern Alfa-Romeo übernommen hatte, wurden Alfa-Romeo und Lancia zusammengeschlossen.

2010 legte der Fiat-Konzern (ab 2014 FCA Fiat Chrysler Automobiles), der inzwischen auch Chrysler übernommen hatte, die Marken Chrysler und Lancia zusammen. Danach wurde das ohnehin nicht breite Modellprogramm immer weiter ausgedünnt, was bei Journalisten zu der Vermutungen führte, FCA wolle die Marke Lancia zugunsten von Alfa-Romeo ganz einstellen. Einziges Lancia-Modell ist momentan der in der Fiat-Fabrik Tychy/Polen gefertigte Kleinwagen Ypsilon (seit 2011), der in Großbritannien, Irland und Japan zeitweise als Chrysler Ypsilon vermarktet wurde. Seit 2017 ist der Ypsilon nur noch in Italien erhältlich. Kurze Zeit gab es in Kontinenaleuropa den Lancia Flavia (2010 – 2016), den Lancia Thema (2011 – 2014) und den Lancia Voyager (2007 – 2016), die alle baugleich mit Chrysler-Modellen waren (Chrysler 200/300, Chrysler Voyager/Dodge Caravan).

Infolge des Zusammenschlusses von PSA (Citroën, DS, Opel, Peugeot, Vauxhall) und FCA Fiat-Chrysler Automobiles (Abarth, Alfa-Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Fiat, Lancia, Maserati, Ram Trucks) gehört Lancia seit 2021 zum Stellantis-Konzern. 2023 stellte Stellantis eine neue Lancia-Designstudio vor, die darauf hindeutet, dass die Marke in den nächsten Jahren mit neuen Modellen auf eine breitere Basis gestellt werden könnte.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain