Markenlexikon

Karstadt

Ursprungsland: Deutschland

Die Geschwister Rudolph, Ernst und Sophie-Charlotte Karstadt eröffneten 1881 in Wismar ihr erstes Tuch-, Manufactur- und Confectionsgeschäft. Das Startkapital steuerte ihr Vater Christian Karstadt bei, der in Schwerin ein eigenes Tuchwarengeschäft betrieb. Im Gegensatz zum damals üblichen Handeln gab es bei Karstadt feste Preise und die Kunden mussten bar bezahlen. Das sicherte der Firma die notwendige Liquidität, um genaustens zu kalkulieren und günstige Einkaufskonditionen wahrzunehmen. Bis sich die Kunden an die Barzahlung gewöhnten, verging jedoch noch einige Zeit. Anfangs blieben die Umsätze weit hinter den Erwartungen zurück. Bereits 1883 stiegen Ernst und Sophie-Charlotte aus dem Unternehmen wieder aus, sodass Rudolph Karstadt (1856 – 1944) alleiniger Inhaber wurde. Die billigeren Preise, die Karstadt gegenüber den Konkurrenten anbieten konnte, waren jedoch ein gewichtiges Argument, dem sich auch konservative Kunden auf Dauer nicht verschließen konnten.

Ab 1884 eröffnete Karstadt Filialen in anderen Städten (1884 Lübeck, 1888 Neumünster, 1890 Braunschweig, 1893 Kiel, 1912 Hamburg). Um bei niedrigen Preisen höhere Gewinne einzustreichen, umging Karstadt ab 1890 die Großhändler und kaufte direkt bei den Herstellern ein. 1912 eröffnete Karstadt in Hamburg sein erstes Kaufhaus, das mit Ausnahme von Lebensmitteln so ziemlich alle Waren des täglichen Bedarfs anbot. Kurz darauf gründete er mehrere eigene Textilfabriken, um von Zulieferern unabhängig zu sein.

1920 schloss sich Karstadt mit dem Einzelhandelsunternehmen Theodor Althoff zusammen, das in seinen Warenhäusern ein ähnliches System wie Karstadt eingeführt hatte (der Name Althoff blieb noch bis 1963 erhalten). 1923 ging das Unternehmen an die Börse. 1926 entstand die Billigpreiskette EPA (Einheitspreis AG; später Kepa Kaufhaus). Ende der 1920er Jahre besaß Karstadt über neunzig Karstadt-Filialen, über fünfzig EPA-Filialen und fast dreißig Produktionsstätten in ganz Deutschland.

Während der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre geriet Karstadt jedoch ins Schlingern. Fast ein Drittel aller Kaufhäuser und Fabriken mussten geschlossen oder verkauft werden. Rudolph Karstadt zog sich 1932 aus der Geschäftsführung zurück und verkaufte seine Anteile an ein Bankenkonsortium, das den Karstadt-Konzern vor dem Konkurs rettete. 1932 wurde der Firmensitz von Hamburg nach Berlin verlegt.

Trotz Enteignungen im Osten Deutschlands und großer Zerstörungen an den übriggebliebenen Warenhäusern, entwickelte sich Karstadt nach dem Zweiten Weltkrieg schnell wieder zum führenden Warenhauskonzern Deutschlands. 1969 wurde der Firmensitz nach Essen verlegt. 1977 übernahm Karstadt die Mehrheit des Versandhauskonzerns Neckermann und 1981 auch die Neckermann-Touristiktochter NUR (Neckermann und Reisen). 1984 wurde Neckermann ganz in den Karstadt-Konzern eingegliedert. Im gleichen Jahr entstanden die Fachgeschäftsketten Runners Point (Sportbekleidung) sowie Pico Bello (Kinderbekleidung).

In den frühen 1990er Jahren zeigten sich bei den deutschen Warenhauskonzernen erste Verschleißerscheinungen infolge neuer Einzehandelsformen (Einkaufsparks am Rande der Städte, Fachmärkte – später kam noch der Online-Handel dazu). Die Managements reagierten darauf mit Zusammenschlüssen wie 1994 Karstadt/Hertie (inkl. Alsterhaus, KaDeWe, Schaulandt, Wertheim, Wehmeyer, Schürmann, WOM World of Music) und Kaufhof/Horten oder 1999 Karstadt/Quelle (ab 2007 Arcandor).

Arcandor war eine reine Finanzholding, die sich nur noch am Rande um die Warenhäuser kümmerte; im Vordergrund standen andere Geschäftsfelder wie Immobilien, Reiseveranstalter (Neckermann, Thomas Cook) und Fluggesellschaften (Condor). Ein Großteil der Immobilien (164; davon 120 Warenhäuser) wurde 2006 an eine Immobiliengesellschaft verkauft und daraufhin teuer angemietet. Das Geld, das der Verkauf einbrachte, wurde einerseits zur Entschuldung des Konzerns verwendet, andererseits zum Erwerb des Lufthansa-Anteils an dem Touristikkonzern Thomas Cook. Arcandor und mehrere Tochtergesellschaften (Karstadt, Primondo, Quelle) mussten 2009 Insolvenz anmelden.

2010 erwarb der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen, der Sohn des 2007 verstorbenen Kunstsammlers Heinz Berggruen, die insolvente Karstadt-Warenhauskette für einen symbolischen Preis von einem Euro. 2013 verkaufte er die Mehrheit der Karstadt Premium Group (Alsterhaus Hamburg, KaDeWe Berlin, Oberpollinger München) und Karstadt Sports an die österreichische Immobiliengruppe Signa Holding (René Benko), die zuvor schon mehrere Karstadt-Immobilien erworben hatte, u.a. das KaDeWe. 2014 übernahm Signa schließlich auch das Unternehmen Karstadt mit den restlichen 83 Karstadt-Warenhäusern – ebenfalls für einen Euro.

2018/2019 erwarb Signa das europäische Einzelhandelsgeschäft der kanadischen Hudson's Bay Company, zu der auch das deutsche Warenhaus-Unternehmen Galeria Kaufhof gehörte. 2020 wurden beide Unternehmen zusammengeschlossen (Galeria Karstadt Kaufhof).

In den frühen 2020er Jahren kam Galeria Karstadt Kaufhof mehrmals in finanzielle Schwierigkeiten, teilweise infolge der Corona-Pandemie (2020 Schutzschirmverfahren, Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, 2022 Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung, 2023 Insolvenzverfahren). In dieser Zeit wurden fast fünfzig unrentable Warenhäuser geschlossen. Ausgelöst durch die Insolvenz der Muttergesellschaft Signa im November 2023 befindet sich Galeria Karstadt Kaufhof seit Januar 2024 erneut in einem Insolvenzverfahren.

Text: Toralf Czartowski