Markenlexikon

ITT

Ursprungsland: USA

Sosthenes Behn (1882 – 1957) begann seine Karriere als Zuckerhändler auf Puerto Rico. Nachdem er von einem Schuldner ein kleines Telefonunternehmen als Zahlungsausgleich angenommen hatte, erkannte er die Vorteile des Telefons als schnelles Kommunikationsmittel. Gemeinsam mit seinem Bruder Hernand Behn (1880 – 1933) gründete er 1920 in Baltimore die International Telephone and Telegraph Corporation (ITT), die anfangs nur den Telefonvekehr auf Puerto Rico sowie zwischen Kuba und der USA betrieb. Der Firmenname entstand in Anlehnung an die American Telephone and Telegraph Company (AT&T), die den gesamten inneramerikanischen Telefonverkehr kontrollierte.

Was AT&T auf amerikanischen Boden vorgemacht hatte, wollte ITT auf internationalem Terrain wiederholen, vor allem in Europa und Lateinamerika. Das war jedoch anfangs nicht so einfach zu realisieren, denn kaum ein Staat war bereit, sein Telefonnetz in die Hand einer vollkommen unbekannten Firma legen. Schließlich klappte es mittels Bestechung dennoch, zuerst in Spanien, wo sich ITT 1924 an der neugegründeten Monopolgesellschaft Compania Telefónica Nacional de Espana beteiligte, die von der damaligen Regierung unter General Miguel Primo de Rivera eine Konzession für zwanzig Jahre erhielt (Telefónica wurde 1945 verstaatlicht).

1925 erwarb ITT die internationalen Aktivitäten des AT&T-Geräteherstellers Western Electric, die International Western Electric Corporation, die daraufhin in International Standard Electric Corporation umbenannt wurde, und 1927 das Telefongeschäft von Thomson-Houston (Frankreich) sowie die Compania de Telefonos de Chile (Chitelco).

1929 gründete ITT in Berlin die Standard Elektrizitäts-Gesellschaft (ab 1956 Standard Elektrik; ab 1958 Standard Elektrik Lorenz), die anschließend zahlreiche weitere deutsche und europäische Elektro-, Radio- und Telefonfirmen erwarb (1930 C. Lorenz, Mix & Genest, 1932 Ericsson/Schweden, 1940 G. Schaub, 1961 Graetz). 1955 wurde für die Radio- und Fernsehgeräte der Markenname Schaub-Lorenz eingeführt (ab 1972 ITT-Schaub-Lorenz). ITT-Schaub-Lorenz (Slogan: »Technik der Welt«) war bis in die 1970er Jahre hinein neben AEG-Telefunken, Dual, Grundig, Nordmende, Saba und Uher einer der führenden deutschen Hersteller von Unterhaltungselektronik.

Nachdem dem Tod des Firmengründers wurde Harold Sydney Geneen neuer ITT-Chef. Unter seiner Leitung entwickelte sich ITT zu einem Mischkonzern, dem neben den Telefon- und Elektrogesellschaften auch Unternehmen wie Avis (Autovermietung), Alfred Teves (Fahrzeugzulieferer), Continental Baking (Großbäckerei), Grohe (Sanitärtechnik), Hartford Fire Insurance (Versicherung), Koni (Fahrzeugzulieferer), Leifheit (Haushaltsgeräte), Rimmel (Kosmetik), Sheraton (Hotels) oder Stenberg-Flygt (Pumpen) gehörten. Der Umsatz und die Gewinne stiegen in schwindelerregende Höhen und Geneen galt als einer der fähigsten Manager seiner Zeit, aber auch als einer der umstrittensten.

Als die Allende-Regierung 1973 in Chile einige Schlüsselindustrien verstaatlichen wollte, u.a. die ITT-Tochter Chitelco, bot Geneen dem US-Auslandsgeheimdienst CIA eine Million Dollar für eine Intervention in Chile an. Der Militärputsch von General Augusto Pinochet gelang dann allerdings auch ohne ITT-Geld. Dem weltweiten Ruf und den Aktienkursen des Unternehmens schadete diese Aktion jedoch sehr. Aus der Abkürzung ITT wurde plötzlich »International Twisters and Tricksters Company« (Internationale Gauner und Gangster Gesellschaft) und das Management versuchte sich durch öffentliche Unschuldsbeteuerungen vergeblich aus der Affäre zu ziehen.

Mitte der 1970er Jahre zeigte sich, dass der inzwischen zu einem Koloss aufgeblasene Konzern kaum noch beherrschbar war. Die vielen verschiedenen Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen passten nur selten zusammen und der Schuldenberg war durch die ständigen Übernahmen ins Endlose gewachsen. 1977 trat Geneen von seinem Chefposten zurück.

Sein Nachfolger Rand Araskog begann sofort mit dem Ausverkauf. Über 250 Tochtergesellschaften kamen in den nächsten Jahren unter den Hammer. 1986 verkaufte ITT sein gesamtes europäisches Elektro- und Telekomausrütungsgeschäft (u.a. Standard Elektrik Lorenz, ITT-Schaub-Lorenz, Graetz) an den französischen Elektrokonzern Compagnie Générale d'Electricité (CGE), der sie mit seiner eigenen Telekom-Tochter Alcatel zusammenschloss. Anfangs war ITT noch an Alcatel beteiligt, bis 1997 wurden diese Anteile jedoch vollständig abgestoßen.

Die Unterhaltungselektronik-Töchter ITT-Schaub-Lorenz und Graetz verkaufte CGE 1987 an den finnischen Telekomkonzern Nokia, der noch eine Weile die Doppelbezeichnung ITT-Nokia benutzte (Nokia veräußerte Schaub-Lorenz 1996). Die Ferngesprächssparte wurde 1988 an Metromedia Communications verkauft. 1993 erwarb ITT den deutschen Fahrzeugzulieferer SWF Auto-Elektrik, 1994 den Madison Square Garden in New York (gemeinsam mit Cablevision) und 1995 den Casino-Betreiber Caesars World.

1995 teilte sich ITT in drei seperate Unternehmen auf: ITT Corporation (Sheraton Hotels, Caesars World, Madison Square Garden – wurde 1998 an Starwood Hotels & Resorts verkauft), ITT-Hartford (Versicherung – wurde 1995 verselbstständigt) und ITT Industries (ITT Fluid Technology, ITT Defence and Electronics, ITT Automotive). 1998 veräußerte ITT Teile des Autozubehörgeschäfts an Continental (ITT Automative Brake and Chassis/Alfred Tewes) und Valeo (SWF).

2006 benannte sich ITT Industries in ITT Corporation um. Das Unternehmen mit Haupsitz in White Plains/New York produziert u.a. Federn für die Fahrzeugindsutrie (Axtone), Steckverbinderlösungen (Cannon Solutions), Mess- und Regeltechnik (Conoflow), Produkte für die Bewegungssteuerung (ITT Compact Automation), Lösungen zur Stoßdämpfung und Schwingungsisolierung (ITT Enidine) und Stoßdämpfer für Autos sowie Nutz- und Schienenfahrzeuge (Koni). Die Bereiche Verteidigungselektronik und Flüssigkeitstechnologie (Pumpen, Ventile, Wasser-Management) wurden 2011 verselbstständigt (Exelis, Xylem).

Text: Toralf Czartowski