Markenlexikon

Dornier

Ursprungsland: Deutschland

Der in Kempten/Allgäu geborene Maschinenbau-Ingenieur Claude Honoré Desiré Dornier (1884 – 1969) kam 1910 zur Luftschiffbau Zeppelin GmbH nach Friedrichshafen am Bodensee, wo er zunächst eine drehbare Luftschiffhalle konstruierte. Da sein Vater Franzose war und seine Mutter Deutsche, besaß er ab 1913 beide Staatsbürgerschaften. 1914 richtete Zeppelin die von Dornier geleitete Abteilung Do ein, die sich mit dem Flugzeugbau beschäftigte, insbesondere mit der damals noch neuen Metallbauweise. In dieser Zeit entstanden in einer neuen Holzhalle in Seemoos bei Friedrichshafen die ersten Flugboote. 1917 wurde die Abteilung Do in die Zeppelin Werk Lindau GmbH (ab 1922 Dornier Metallbauten GmbH, ab 1938 Dornier Werke GmbH) umgewandelt. Der Hauptsitz dieser Firma befand sich zunächst in Reutin bei Lindau, ab 1919 in Friedrichshafen und ab 1923 in Manzell bei Friedrichshafen. Um die Rüstungsbeschränkungen zu umgehen, die Deutschland nach dem 1. Weltkrieg auferlegt bekommen hatte, errichtete Dornier Anfang der 1920er Jahre auch Werke in der Schweiz (Rorschach) und Italien (Marina di Pisa). 1932 übernahm Claude Dornier die volle Kontrolle über die Firma. In den 1930er Jahren entstanden Zweigwerke in Wismar, Berlin-Reinickendorf, Pfronten-Weißbach, Lindau-Rickenbach, München-Neuaubing/Bayern und Oberpfaffenhofen/Bayern (inkl. Flughafen).

Die Dornier-Flugzeugwerke bauten anfangs vor allem Transport- und Wasserflugzeuge. Eine Ausnahme war das Verkehrsflugzeug Komet/Merkur (Erstflug 1921), das neben der Lufthansa auch zahlreiche internationale Fluggesellschaften erwarben. Besonders erfolgreich wurde das viermotorige Verkehrsflugboot Dornier Do J Wal (Erstflug 1922), das auf vielen internationalen Strecken zum Einsatz kam, vor allem nach Südamerika. Von 1927 bis 1929 entwickelte Dornier im Schweizer Werk (Altenrhein) das damals größte Flugboot der Welt, die von zwölf Curtiss-Motoren angetriebene vierzig Meter lange Do X, die für 170 Passagiere ausgelegt war. Von November 1930 bis Mai 1932 absolvierte das fliegende Schiff einen Langstreckenflug von 45.000 Kilometern (Europa, Südamerika, Afrika, Nordamerika, Europa). Insgesamt wurden nur drei Exemplare der Do X gebaut. Während des 2. Weltkriegs zählte das Unternehmen neben Messerschmitt und Junkers zu den führenden deutschen Herstellern von Militärflugzeugen, vor allem Aufklärer (Do 18), Fernbomber (Do 17, Do 217, Do 19) sowie Überwachungs-und Rettungsflugboote (Do 24, Do 26).

1949 ging Claude Dornier zunächst nach Madrid, wo er gemeinsam mit der spanischen Flugzeugfirma CASA (Construcciones Aeronáuticas S.A.) das leichte Transportflugzeug Do 25 (CASA C-127) entwickelte. Das Lindauer Dornier-Werk produzierte ab 1950 Textilmaschinen. 1955 wurde die Dornier Werke GmbH (ab 1966 Dornier GmbH) neugegründet. Die Firma spezialisierte sich nun auf leichte Transportflugzeuge (1955 Do 27, 1959 Do 28). Die 1962 gegründete Dornier System GmbH war an der Entwicklung und dem Bau mehrerer deutscher Forschungssatelliten beteiligt. 1962 zog sich Claude Dornier aus der Geschäftsführung zurück und übergab die Leitung des Unternehmens seinem Sohn Claudius.

In den 1960er Jahren entstand bei Dornier das erste senkrecht startende und landende Strahltransportflugzeug der Welt. Die Do 31 startete im Februar 1967 zu ihrem Jungfernflug. Zu einer Serienfertigung kam es jedoch nicht. Ebenfalls 1967 gehörte Dornier zusammen mit Messerschmitt, Bölkow, SIAT Siebelwerke, Blohm & Voss/Hamburger Flugzeugbau (HFB) und VFW (Vereinigte Flugtechnische Werke) zu den Gründungsfirmen der Deutschen Airbus GmbH. Gemeinsam mit dem französischen Flugzeughersteller Dassault-Bréguet entwickelte Dornier von 1969 bis 1974 den Strahltrainer Alpha Jet. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung von Überschallflugzeugen nutzte Dornier auch zur Entwicklung des ersten Nierenstein-Zertrümmerers.

Nach dem Tod von Claude Dornier 1969 ging das Unternehmen in den Besitz seiner Söhne Claudius (1914 – 1986), Peter (1917 – 2002), Silvius (* 1926), Christoph (1938 – 2008) und Justus (* 1936) über; Tochter Dorothea wurde ausbezahlt, Donatus war bereits 1971 gestorben. Ende der 1970er Jahre begann Dornier mit der Entwicklung von Regionalverkehrsflugzeugen. Die von zwei Propellerturbinen angetriebene Do 228 (Erstflug 1981) diente hauptsächlich als Zubringerflugzeug, wurde aber auch als Forschungs- und Überwachungsflugzeug eingesetzt. Von 1981 bis 1998 fertigte Dornier im Werk Oberpfaffenhofen 270 Exemplare.

Dornier
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Nachdem sich die Dornier-Familie hoffnungslos zerstritten hatte, übernahm im Mai 1985 die Daimler-Benz AG die Mehrheit an der Dornier GmbH (57,6 Prozent). Vier Prozent gingen an das Land Baden-Württemberg, die restlichen Anteile blieben im Besitz von Claudius und Silvius Dornier (jeweils 21,22 Prozent). Die Lindauer Dornier GmbH (Textilmaschinen) übernahm Peter Dornier. Justus und Christoph Dornier sowie Ellen Dornier, die Witwe von Donatus Dornier, verkauften ihre Anteile. 1989 wurde Dornier in drei Firmen aufgeteilt: Dornier GmbH Friedrichshafen (Raumfahrt, Verteidigung), Dornier Luftfahrt GmbH Oberpfaffenhofen (Verkehrsflugzeuge) und Dornier Medizintechnik GmbH Germering. Aus dem Zusammenschluss der Daimler-Benz-Tochtergesellschaften Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB), MTU München, TST-Telefunken Systemtechnik und der Dornier GmbH entstand 1989 die Deutschen Aerospace AG (DASA; ab 1995 Daimler-Benz Aerospace AG, ab 1998 DaimlerChrysler Aerospace AG, seit 2000 EADS).

1988 begann die Dornier Luftfahrt GmbH mit der Entwicklung des Regionalverkehrsflugzeugs Do 328 (Erstflug 1991), das seiner Zeit technisch weit voraus war, sich aber dennoch nicht gut verkaufte, was daran lag, dass in den 1990er Jahren Turboprop-Flugzeuge bei den Fluggesellschaften nicht besonders beliebt waren. Allerdings verkauften sich auch die strahlgetriebenen Regionalflugzeuge der niederländischen DASA-Tochter Fokker nicht so gut wie erwartet, sodass sich Daimler-Benz aus dem zivilen Flugzeugbau zurückzog. Fokker ließ man im März 1996 in Konkurs gehen, die Dornier Luftfahrt GmbH wurde zur gleichen Zeit mehrheitlich (80 Prozent) an Fairchild Aerospace verkauft.

Dieses Unternehmen war 1920 von Sherman Mills Fairchild (1896 – 1971) gegründet worden, um Luftbilder für Messzwecke anzufertigen. Da die meisten Flugzeuge für diese Zwecke nicht geeignet waren, richtete Fairchild 1925 in Farmingdale auf Long Island eine eigene Fabrik ein, die Flugzeuge speziell für die Luftbildfotografie baute. Die erste Fairchild FC-1, ein einmotoriger Hochdecker mit extra großen Fenstern für die Luftbildkameras, flog Mitte 1926. Aus diesen bescheidenen Anfängen entwickelte sich bald ein recht umfangreicher Luftfahrt- und Raumfahrtkonzern, der vor allem durch Übernahmen expandierte (1929 Kreider-Reisner Aircraft, 1963 Hiller Helicopters, 1965 Seversky Aircraft/Republic Aviation, 1972 Swearingen Aviation). In den 1960er Jahren fertigte Fairchild auch mehrere Lizenzvarianten der Fokker F27 Friendship für den amerikanischen Markt. Von 1967 bis 1975 entwickelte Fairchild die A-10A Thunderbolt II, ein Kampfflugzeug für die Luftnahunterstützung. In den 1980er und 1990er Jahren baute die zivile Flugzeugabteilung Fairchild Aircraft vor allem Geschäftsreiseflugzeuge (Merlin) und Turboprop-Regionalverkehrsflugzeuge (Metro/Metroliner), die ursprünglich von Swearingen Aviation stammten. 1987 verkaufte der Mutterkonzern Fairchild Industries die Flugzeugsparte Fairchild Aircraft und das Metro-Werk in San Antonio/Texas an die Investmentgesellschaft GMF Investments. 1990 musste die Fairchild Aircraft Antrag auf Gläubigerschutz stellen. Carl Albert, ein früherer Chef der Fluggesellschaft Wings West, die zahlreiche Metros betrieb, übernahm das strauchelnde Unternehmen daraufhin zusammen mit weiteren Investoren. 1996 wurde Fairchild Aircraft in Fairchild Aerospace umbenannt.

Nach der Dornier-Übernahme firmierte die Dornier Luftfahrt GmbH als Fairchild-Dornier GmbH. In Oberpfaffenhofen baute das Unternehmen weiterhin die Do 328 sowie die davon abgeleitete Do 328-300/Do 328 Jet (Erstflug 1998) mit zwei Strahltriebwerken. Darüber hinaus begann Fairchild-Dornier mit der Entwicklung von zwei verlängerten Versionen (428, 528) und des zweistrahligen Kurzstreckenverkehrsflugzeugs Do 728. Das dafür benötige Geld stellten die US-Investmentfirma Clayton Dubilier & Rice sowie die Allianz-Tochter Capital Partners bereit – rund 400 Millionen Euro. Beide Firmen übernahmen 1999/2000 auch die Mehrheit bei Fairchild-Dornier. Einen Kredit in Höhe von 800 Millionen Euro steuerten die HypoVereinsbank, die Bayerische Landesbank und die Förderbank LfA bei. Das Unternehmen hatte damals viertausend Mitarbeiter, die hauptsächlich in Bayern arbeiteten.

Infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 und der damit verbundenen Luftfahrtkrise musste Fairchild-Dornier jedoch im März 2002 Konkurs anmelden; direkte Auslöser waren stagnierende Verkäufe des Modells 328 und zurückgezogene Kaufoptionen beim 728-Programm (u.a. von der Lufthansa, die eine Option auf sechzig Maschinen gezeichnet hatte). Da es dem Insolvenzverwalter nicht gelang einen Käufer für das Gesamtunternehmen zu finden, wurden einzelne Bereiche an verschiedene Firmen verkauft: das 328-Programm ging an AvCraft Aviation (USA), das 728-Programm an den chinesischen Mischkonzern D'Long (AvCraft und D'Long mussten kurze Zeit später ebenfalls Insolvenz anmelden). Die Flugzeugwartung, die Airbus-Komponentenfertigung sowie die Rechte an der Do 228, die von 1981 bis 1998 in Oberpfaffenhofen produziert worden war, übernahm der Schweizer RUAG-Konzern. Im Februar 2005 wurden die Firmenreste von Fairchild-Dornier versteigert, u.a. zwei Prototypen der Dornier 728.

2007 nahm RUAG Aviation die Weiterentwicklung der Do 228 auf; der Erstflug des Prototyps Do228 NG (Neue Generation) fand im November 2009 statt. Produziert wird die Do 228 NG von RUAG Aviation im früheren Dornier-Werk in Oberpfaffenhofen. Das indische Unternehmen Hindustan Aeronautics fertigt die originale Do 228 seit 1986 in Lizenz.

Nachdem Silvius Dornier im Juli 2005 seine restlichen Anteile (3,58 Prozent) an EADS verkauft hatte, wurde die EADS-Dornier GmbH (Friedrichshafen) in eine reine Beteiligungsgesellschaft umgewandelt (u.a. an EADS Deutschland); die meisten Familienmitglieder hatten ihre Anteile bereits in den Jahren zuvor an EADS und den EADS-Großaktionär Daimler verkauft. Der Rest befand sich weiterhin im Besitz des Familienstamms Claudius Dornier. Die Dornier-Erben, vor allem die Juristin Martine Dornier-Tiefenthaler, die Schwiegertochter des Firmengründers und Testamentsvollstreckerin, hatten sich jahrelang gegen die Daimler-Geschäftspolitik bei Dornier sowie gegen die vollständige Eingliederung in den Daimler-Konzern und später in den EADS-Konzern juristisch zu wehren versucht. Nachdem ein Gericht 2001 jedoch zugunsten von EADS entschieden hatte, zog sich die Familie schrittweise aus dem Unternehmen zurück. Als letzte verkauften die Brüder Conrado und Claudio Dornier 2011 ihre Anteile.

Die Dornier MedTech GmbH (Wessling/Bayern) gehört seit 1996 zu Accuron Technologies (Singapur) und stellt Lithotripter (Geräte zur Nieren- und Gallensteinzertrümmerung) und medizinische Lasergeräte her. Die 1985 aus der Dornier GmbH ausgegliederte Lindauer Dornier GmbH (Lindau/Bayern) produziert in den drei Werken Lindau, Pfronten und Esserratsweiler Textilmaschinen, Folienreckanlagen (zur Herstellung von Plastikmaterial) und Trocknungsanlagen (für Pappe, Papier und Baustoffplatten).

2016 verkaufte die Airbus Group (vorm. EADS) den rund 246 Hektar großen Flugplatz Oberpfaffenhofen an eine auf Gewerbeimmobilien spezialisierte Investorengruppe.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain

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